„Alles blüht und leuchtet und lebt“

Romano Guardini – eine Wahrnehmung

 

 

Wer war Romano Guardini (1885-1968)? Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellt sich diese Frage, mit der Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz ihre 1985 zum 100. Geburtstag Guardinis erstmals erschienene umfassende Biographie „Leben und Werk“ (4. Aufl. Mainz 1995; überarbeitete und leicht gekürzte Taschenbuchausgabe Mainz 2005) eröffnete, mit erneuter Dringlichkeit. Nach einer Zeit des Vergessens und Verdrängens, des Fixierens auf vordergründig „Aktuelles“, das Guardinis (im Sinne Anselms von Canterbury) an Wahrheit und Gültigkeit orientiertes Denken stets hinter sich ließ, taucht die Frage nach ihm wieder auf und wird „mit jener Frische gestellt, die einem solschen Vergessen folgt: nämlich von all denen, die ihn neu lesen, erstmals, nicht im Bannkreis der Bewegungen, in den Guardini wirkte, sondern nur – was der Prüfstein eines Werkes ist – im Bannkreis seines Denkens. Und über die beanstandete Sprache, das Zeitgebundene hinweg scheint neu etwas Ursprüngliches, der Charakter des Wahren, Richtigen und Richtenden darin hervorzutreten“ (ebd. 9). Manche billigen Klischees (Guardini als bloßer Jugendbündler, liturgisch bewegter Ästhetizist, gar bürgerlicher Bildungsphilister), mit denen man sich die Grundbotschaft einer „Reform aus dem Ursprung“ (H. U. v. Balthasar) vom Leibe gehalten hat, haben sich überholt und ad absurdum geführt. Wie kaum ein anderer katholischer Autor erscheint er heute als „Wegweiser in eine neue Epoche“ (E. Biser).

 

Was wäre dringender, als mit Guardinis Programm einer „Unterscheidung des Christlichen“ einer pluralistischen Religionstheologie zu antworten oder mit einer am Frühwerk „Der Gegensatz“(1925) geschulten Argumentation Fragen der Ökumene und des innerkirchlichen Dialogs anzugehen, die unproduktiven Polarisierungen auszugleichen? Alle zeitlos gültigen Themen christlichen Denkens – „auch Ihr Verstand ist getauft“, sagte Guardini einmal zu Albrecht Goes – finden ihre souveräne Durchleuchtung durch den Meister, der 1923 an der Berliner Universität den Gast-Lehrstuhl für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung erhielt und nach dem Krieg in Tübingen (1945-1948) und bis zu seiner Emeritierung in München (1948-1962) lehrte. Sein Sprechen und Denken geschah und geschieht jenseits der „Postmoderne“ und der von Johann B. Metz diagnostizierten „Gotteskrise“.

 

Auf Guardini trifft gerade nicht das sarkastische (u.a. auf die Nazis bezogene) Wort des Frankfurter Germanisten Paul Stöcklein (1909-1992) zu, dass „der Deutsche eine Weltanschauung braucht, weil er die Welt nicht anschaut“. Er war vielmehr „Augenmensch“, nach seiner Biographin lehrte er „Augenschulung“ und ist in seiner Wortwahl „nicht zufällig stark vom Auge und Licht bestimmt; ‚sehen, was ist’, das ist ihm eine anderes Wort für Wahrheit. Seine An-Schauungen sind von dieser Auffassung her nicht nur in Platon und Augustinus, sondern in weniger bekanntem Maße auch in Thomas verwurzelt“ (a.a.O. 12).

 

Das bestätigt der bekannte Münsteraner Philosoph und Thomas-Vermittler Josef Pieper (1904-1997), der von 1920 an die Treffen auf der Burg Rothenfels am Main besuchte. Er hörte dort am 28. August 1924 die improvisierte Rede Guardinis zu Goethes 175. Geburtstag, in der er auch auf Thomas von Aquin (dessen 700. Geburtstag damals wiederkehrte) hinwies, und berichtet in seinen autobiographischen Aufzeichnungen „Noch wußte es niemand“ (München 1976) von der „bedeutenden Fördernis durch ein einziges Wort“, die ihm damals zuteil wurde: „In seiner Rede ‚Über den klassischen Geist’ spricht dann Romano Guardini nicht allein von Goethe, sondern auch von Thomas von Aquin. Beiden sei das ‚Klassische’ gemeinsam, die , wie Goethe sagt, ‚objektive Richtung’ und der Respekt vor der Realität, nicht natürlich vor dem bloß Faktischen, sondern vor dem wahrhaft Wirklichen. In eben diesem gleichen Augenblick geschah es mir, dass die gedanklichen Materialien, die ich seit langem schon in der trüben Lauge mühsamen Grübelns zur Formung drängen fühlte, wie unter einem zaubrischen Anstoß plötzlich zu kristallischer Gestalt zusammenschossen. Mit einem Mal vermochte ich nun auch das verworren Geahnte ins deutliche Wort zu fassen: Alles Sollen gründet im Sein; das Gute ist das Wirklichkeitsgemäße. Wer das Gute wissen und tun will, der muss seinen Blick richten auf die gegenständliche Seinswelt; nicht auf die eigene ‚Gesinnung’, nicht auf das ‚Gewissen’, nicht auf die ‚Werte’, nicht auf die eigenmächtig gesetzten ‚Ideale’ und ‚Vorbilder’. Er muss absehen von seinem eigenen Akt und hinblicken auf die Wirklichkeit“ (ebd. 70). Auch den Satz „Kümmert euch nicht um Sokrates, kümmert euch um die Wahrheit“ will Pieper – wie er in einem Brief zu dessen 70. Geburtstag dankend bekennt – erstmals aus dem Munde Guardinis gehört haben. Es ist offensichtlich, wie nahe diese Gedanken der zeitgleich von Edith Stein (1891-1942), der Schülerin Edmund Husserls, rezipierten Phänomenologie mit ihrem Motto „zurück zu den Sachen selbst“ liegt.

 

In Spiegel und Gleichnis

„Augenschulung“ und Wirklichkeitstreue sieht Guardini in seiner „Sorge um den Menschen“ (Titel einer Aufsatzsammlung) zunehmend gefährdet durch die Kulturkrise am „Ende der Neuzeit“ (1950), den Verlust der Fähigkeit zur „Schau“ und deren autonome Ersetzung durch bloßes Beobachten und Konstatieren, das selbst keinen Sinn und keinen Wahrheitsgehalt mehr vermittelt. Eigene Wahrnehmungen und Lichterfahrungen des Lebendig-Konkreten hat er dagegen in der Tagebuch- und Textsammlung „In Spiegel und Gleichnis“ (Mainz 1932), in der Hans Urs von Balthasar (1905-1988) „völlig goethesche Passagen“ sieht, „nur dass sich Antike und Christentum hier aufs innigste vermählen“ (Reform aus dem Ursprung, Neuausgabe Freiburg 1995, 10f), für die, „die noch an etwas Freude haben, das nicht aktuell ist“ (so im Geleitwort), als „Bilder und Gedanken“ zusammengefasst. Es lohnt, im folgenden unter dem Aspekt „Auge“ und „Licht“ hier einen genaueren Blick hineinzuwerfen. Dabei geht es um keine philosophische „Lichtmetaphysik“, wie sie Guardini im Zusammenhang mit Bonaventura in seiner Habilitationsschrift ansprach, sondern – wie in den späteren Arbeiten über Dante – um das Leuchten des Wirklichen und des Wortes. Was er über einen Sprechchor zu Vilma Mönckeberg auf Burg Rothenfels sagte – „Ich habe immer geahnt, dass Worte leuchten können, seit heute weiß ich es“ – , das kann mit gleichem Recht auf seine eigenen Texte angewandt werden und einer Beantwortung der Frage „Wer war Romano Guardini?“ näher führen. So sei mit seinen Augen also in eine lesende Sehschule gegangen:

 

Das „Tagebuch“ beginnt in Oberitalien mit den Worten: „Seltsam geht es oft den Augen im Süden. Es ist, als ob die Kraft der Formen, die in den Dingen drängt, dort erst richtig herauskönnte. Als ob sie sich streckten und ins Freie träten; als ob Innerlichkeiten offenbar würden, die im Norden verhalten bleiben“ (9). Am für Guardinis Familie heimatlichen Comer See an einem mit Kastanien bestandenen Hang: „Die Sonne aber füllte alles. Es war Schatten und doch überall Licht. Nichts von der geheimnisvoll-tragenden Dunkelheit der Wälder im Norden: sonnenerfüllter Schatten. Jeder Baum wie vollgesogen von Sonne, Sonne überall, aber sanft gedämpft. Sonne, der das Glastende und Verbrennende genommen war“ (13).

Beim Gardasee wieder eigene Erfahrungen: „Als ich aber, vorn am Rand des Vorsprungs stehend, mich vom See wegkehrte und zum Berghang zurückblickte, rechts und links von mir, in weitem Bogen die Reihen der Zypressen – da wurde mir seltsam zumute. Ich verstand auf einmal das griechische Theater: den groß gestalteten Raum, in welchem das Werk des Menschen mit einem Mindestmaß von Form die Natur auffängt, fortsetzt, in die höhere Form der Kunst hebt. Himmel, Weite, Licht; darin sich bewegende Gestalt und gesprochenes Wort“ (17). Der Abend gleicht dort einem Gemälde Vincent van Goghs: „Alles war wieder rein. Die Sonne ging unter. Das Blau des Himmels färbte sich leise ins Rötliche. Dann wandelte es sich in zartes Gold. Kostbares Licht flutete über alle Dinge. Die Wipfel der Bäume standen fein und scharf gezeichnet. Bis auch das Gold erlosch, und ein silbrigblaues Grau alle Dinge umfing. Unter dem schwarz gegen den Himmel gestrichelten Geäst der Bäume hing zierlich hell die Sichel des jungen Mondes“ (18).

 

Aus seinen Erlebnissen zieht Guardini als Gläubiger den Schluss: „So wird stetsfort, wo immer ein Mensch einem Ding begegnet, jene Welt, die Gott gemeint hat. Immer neu. Und sie wird, was Gott gemeint hat, in dem Maße, als der Mensch den Dingen recht begegnet: rein, ohne Selbstsucht, mit offenen Augen und empfänglichem Herzen; so, wie es die Meinung des Augenblicks fordert. Hierin besteht der Schöpferdienst, zu dem Gott den Menschen gerufen hat: dass immerfort, in seiner Begegnung mit den Dingen, die eigentliche Welt werde. Dass er selber erst werde, indem er an die Dinge gerät; schaut, versteht, liebt, an sich zieht und abwehrt, schafft und gestaltet. Dass die Dinge sie selbst erst ganz werden, wenn sie in den Bereich des Menschengeistes, seines Herzens und seiner Hand gelangen. Dies Welt wird immerfort; leuchtet auf und erlischt wieder“ (19f).

 

Im nächsten Kapitel erinnert sich Guardini: „Das war doch eine helle Sache, unsere kleine Goethefeier auf Burg Rothenfels am 28. August 1924 – jene kurze Stunde, in welcher Rede, Dichtung und Musik so reich und klar zusammenklangen!“ (21). Die „klassische“ Gemeinsamkeit von Goethe und Thomas wird umschrieben: „Dazu gehört vor allem die Weise, wie sie in die Welt schauen, nämlich mit einem ganz offenen Blick, der eigentlich nie etwas ‚will’ – dass dieses Ding so sei, jenes anders, das dritte überhaupt nicht. Dieser Blick tut keinem Ding Gewalt an. Denn es gibt ja schon eine Gewalttätigkeit in der Weise des Sehens; eine Art, die Dinge ins Auge zu fassen, die auswählt, weglässt, unterstreicht und abschwächt. Dadurch wird dem wachsenden Baum, dem Menschen, wie er seines Weges daherkommt, den aus sich hervorgehenden Geschehnissen des Daseins vorgeschrieben, wie sie sein sollen, damit der Blickende seinen Willen in ihnen bestätigt finde. Der Blick, den ich hier meine, hat die Ehrfurcht, die Dinge sein zu lassen, was sie in sich sind“ (22). „Es ist der Kinderblick, aber im Auge des Gereiften. Er hat ein gelassenen Zutrauen in das Sein, Ehrfurcht vor dessen Würde und eine Weite, die allem Raum gibt. Sobald der Mensch eine hinreichende Strecke des Lebens durchmessen hat, wird dieser Blick zur Weisheit. Denn wie er die Dinge sieht, sieht er auch, und immer klarer, ihre Bedingungen, Grenzen und Stufen. Er sieht, was groß ist und was klein, unterscheidet das Edle und das Niedrige, und versteht, wie Leben und Tod einander durchflechten“ (23).

 

Schließlich die Frage, was in dieser „klassischen“ Wesensart die Tiefe sei: „Gibt es Tieferes als das ganz reine Licht? Für Novalis war das Letzte die Nacht; für Michelangelo auch. Das war Tiefe aus dem anderen Bereich. Ihr gegenüber bedeutet Helligkeit soviel wie Oberfläche. Der klassisch Geartete aber sieht, dass es gar nicht abgründiger hinabgehen kann als in der Klarheit mancher Nachmittage, wenn alle Dinge von Licht durchtränkt sind. Ihn schaudert es, und sein Herz klopft vor der Unergründlichkeit dessen, was so genau umformt und so hüllenlos durchsichtig ist. Ihm öffnet sich in der rein geformten Säule oder in der griechischen Vase, an der nichts verborgen ist, letzte Tiefe. Vom heiligen Franz von Sales wird erzählt, er sei, als ihm Johanna Franziska von Chantal begegnete, ganz ratlos gewesen. Denn duch das kristallene Wasser eines kleinen Baches zu blicken und darin jeden Kiesel zu sehen, sei ein liebliches Ding; doch wenn ein See vollkommen klar sei, zugleich aber so tief, dass der Blick nicht auf den grund komme, das mache erschrecken. So sei es ihm mit dieser Frau ergangen. Ihr Wesen sei vollkommen durchsichtig gewesen, aber von einer Klarheit, in welcher sich unerschöpfliche Tiefe auftat. Das ist klassisch“ (26). „Diese Art spricht gelassen. So überhört man leicht, was sie sagt. Es scheint selbstverständlich. Fasst man aber ein solches Wort genauer ins Ohr, dann wird es immer stärker. Nichts Besonderes scheint gesagt; aber es ist die Selbstverständlichkeit des Lichtes, die alles hell macht, was hineinkommt ... Ja wirklich, verklärte Selbstverständlichkeit ist in dieser Tiefe. Und wenn diese Kraft schöpferisch wird, dann baut sie eine Welt, in welcher dem Leben wohl wird“ (27). „Das Schwere leicht zu machen, aber ohne dass ihm sein Ernst und seine Herrlichkeit genommen werde; das Lastende zu freiem Stehen, das Stockende zu leichtem Schweben zu bringen – das ist klassisch“ (27) und lässt Guardini seine Gedanken mit einem Hinweis auf die Regel des heiligen Benedikt beschließen. 

 

In Mooshausen im schwäbischen Allgäu, zu Gast bei seinem Priesterfreund Josef Weiger (später wird Guardini die letzten Kriegsjahre dort verbringen), dann die Bemerkung: „Das Geheimnis, das im Dunkel des Chaos, in der Undurchsichtigkeit verworrenen Seins versinkt, ist gar nicht das tiefste. Die innigste Verborgenheit liegt in der ganz hellen Form; in der Gestalt, die keinen versteckten Winkel mehr hat. Sie liegt im Lichte selbst. In diesem Licht, welches die Klarheit des Geistes und die innige Schönheit des Herzens und die sehnsüchtige verwandelnde Gewalt der Liebe hat. – Ich glaube, niemand begreift, was für Platon und wieder für Augustin die Idee war, der das Geheimnis dieses Lichtes nicht spürt. Und ebenso nicht, was Johannes mit dem Logos meint, von dem er sagt, dass er ‚Licht’ sei. Der Logos, welcher verheißt, dass er im Geiste aufstrahlen und das Herz berühren, und geben will, dass man ihn lieben könne; in dessen Licht einst der neue Himmel und die neue Erde sein wird, die keine Leuchte mehr brauchen, sondern von Ihm selbst durchstrahlt sind“ (41).

 

(...)

 

Guardini beschließt die Reihe seiner Bilder und Gedanken aus „In Spiegel und Gleichnis“ mit einem Gedenkblatt zur siebenhundertsten Wiederkehr des Todestages seines vielgeliebten Franz von Assisi. Wieder regiert das Auge die Wahrnehmung: „Wenn ich Assisi etwa mit venetischen Bergstädtchen vergleiche, so hat es weder Winkel noch Heimlichkeit. Jede Gestalt steht in freiem Licht und in rein gehenden Winden. Immer wieder öffnen sich die Straßen und Plätze, und der Blick geht auf die umbrische Ebene hinaus. Überall strömt, kühl bewegt, die Luft und umgießt jede Form mit Reinheit. Und wenn die Sonne auf die Stadt herunterbrennt, die Luft zittert und der Stein von rosa Licht wie vollgesogen ist; wenn diese ganze Welt aus gehauenen Kanten und gemauerten Massen in der leise strömenden Frische des Windes steht, dann wird die Seele vom Mysterium jener Tiefe berührt, die nicht im Chaos, sondern in der Klarheit liegt“ (219).

Groß und leuchtend steht der Heilige da: „Seine Armut ist Freiheit. Diese Freiheit ist Liebe. Nicht die Freiheit des Verstandes, der überlegen erkennt; nicht die Freiheit des Wollens, das sich in geordneter Übung löst. Unmittelbare Liebe; Kraft des von Gott berührten Herzens. Darum ist in Alledem kein Nein. Alles ist Ja. Alles blüht und leuchtet und lebt. Es ist das große Aug’ in Auge mit Gott“ (233). 

 

Wer also ist Romano Guardini? In seinen Worten, seinem Denken und seinem Wahrnehmen, so wie es hier an konkreten Erfahrungen wiedergegeben wurde, dreht sich alles um Licht und Leuchten. Es leuchtet der, der so sagt und sieht und schreibt. Theoretisch hat Guardini seine Wahrnehmungslehre dann in „Die Sinne und die religiöse Erkenntnis“ (Würzburg 1950) und im Vortrag „Über das Wesen des Kunstwerks“ (Tübingen 1948) weiter ausgeführt. Als „die Grundhaltung guardinischen Blickes auf die Wirklichkeit“ sieht Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz die Ehrfurcht (a.a.O. 349; vgl. G. Marschütz, Die verlorene Ehrfurcht, Würzburg 1992, wo Thomas und Guardini als „zwei Modelle“ der Wiedergewinnung behandelt werden). Auch in Philosophie und Theologie ist trotz Entdeckung des Ökologischen diese Grundhaltung weitgehend verloren gegangen und bedarf neuer Einübung. Guardini „leuchtet“ heute nicht zuletzt deshalb so stark, weil er sich nie in unfruchtbare Polemiken und Spitzfindigkeiten hat hineinziehen lassen. Wer sich dem Rechten und Richtigen verpflichtet weiß, bedarf keiner Rechthaberei oder Rechtfertigung. Als Kierkegaard- und Nietzsche-Leser weiß Guardini aber um die Gefahren des Gegenlichtes und die Möglichkeit des Ärgernisses: „Wir werden das Ärgernis der Offenbarung nicht ausräumen. Im Gegenteil: sobald wir ihm begegnen, werden wir es als ein Anzeichen verstehen, dass es sich hier um Wesentliches handelt“ (so in der Einführung zu den Nachlassmanuskripten „Die Existenz des Christen“, Paderborn 1977). 

 

   

  

Erstmals in: "Mut" - Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Asendorf, Nr. 385 Heft 9/1999, 76-87 (hier bearbeitet und gekürzt), slowenisch in Communio, Ljubljana, Heft 2/2001, 179-188. Vgl. ergänzend S. Hartmann, Goethe in der Sicht Guardinis, in: Internationale Katholische Zeitschrift Communio 28 (1999), 286-288, sowie H.-B. Gerl-Falkovitz (Hg.), Den Dingen Raum geben. Romano-Guardini-Lesebuch, Ostfildern 2008.