Theologische Literatur-Empfehlungen:

 

Kurt Kardinal Koch, Bund zwischen Liebe und Vernunft. Zum theologischen Erbe von Papst Benedikt XVI., Freiburg i. Br. (Herder) 2016, 240 Seiten, ISBN 978-3-451-37533-0, 26,00 Euro

 

Je länger sein spektakulärer Rücktritt vom Petrusamt zurückliegt, umso mehr wird es möglich, die theologische und geistliche Gestalt Papst Benedikts XVI. frei von kirchenpolitischen Widrigkeiten und Missverständnissen unverstellt wahrzunehmen. Es gibt bereits einige Versuche der Rezeption und Deutung der Theologie Joseph Ratzingers/Benedikts XVI. in seinem großen Schülerkreis und darüber hinaus, seit 2008 erscheinen seine „Gesammelten Schriften“, eine Gesamtdarstellung seines Werkes steht allerdings noch aus. Nachdem er bereits 2010 im Regensburger Pustet Verlag in den „Ratzinger-Studien“ einige Aufsätze zum theologischen Denken Papst Benedikts XVI.  unter dem Titel „Das Geheimnis des Senfkorns“ zusammenfasste, legt nun der (seit 2010) Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, der ehemalige Bischof von Basel und renommierte Theologe Kurt Kardinal Koch, nun im Freiburger Herder-Verlag mit „Bund zwischen Liebe und Vernunft. Das theologische Erbe von Papst Benedikt XVI.“ weiterführende und vertiefende Impulse vor. Koch war Schüler Walter Kaspers, der manchmal zu einem Antipode Ratzingers stilisiert wurde. Der eine soll eher „platonisch“, der andere „aristotelisch“ vorgegangen sein. Koch zeigt in seinen verständlichen Interpretationen auf, dass solche Einteilungen einem christlichen und katholisch-kirchlichen Theologen nicht gerecht werden, sondern das Hören auf das Wort Gottes und der antwortende Glaube am Anfang aller Theologie stehen müssen.

Die Sammlung der Aufsätze, deren jeder ein zentrales Thema der Theologie Joseph Ratzingers/Benedikts XVI. behandelt, beginnt daher in einem „Prolog“ mit einer im Freiburger Münster 2012 anlässlich eines Internationalen Symposions gehaltenen Homilie Kardinal Kochs zu ihrer prophetischen Dimension: „Ein hörendes Herz haben“. Ein wahrer Prophet verkündet nicht Ideen im eigenen Namen, sondern steht in der Freundschaft mit dem lebendigen Gott und daher im Dienst eines Anderen. „Der prophetische Dienst des Papstes besteht […] darin, in der Kirche Gehorsam gegenüber dem Evangelium Jesu Christi zu garantieren“ (16). Auch Berliner Politikern legte Benedikt XVI. 2011 im Deutschen Bundestag mit der Bitte König Salomons (1 Kön 3,9) prophetisch dieses Hören nahe. Urbild des „hörenden Herzens“ ist Maria als wahre Prophetin und “Kirche im Ursprung“.

In dem Hinweis auf die Offenbarung der Liebe Gottes in Jesus von Nazareth und im „brüderlichen“ Leben der Liebe in der Glaubensgemeinschaft der Kirche sieht Kurt Koch Grundzüge der Theologie von Papst Benedikt XVI., der seine erste Enzyklika mit den Worten beginnt: „Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit eine neue Richtung gibt“ (Deus caritas est, Nr. 1). Das ist nun alles andere als platonisch und wird von Koch kongenial auf das für Ratzinger, der sich den bischöflichen Wahlspruch „Mitarbeiter der Wahrheit“ (Cooperatores veritatis) gab, so wichtige Thema der Vernunft des Glaubens ausgedeutet: „Gott ist Logos und Liebe, und zwar in einer untrennbaren Offenbarungseinheit, weil die wahre Vernunft die Liebe und die Liebe die wahre Vernunft ist. Nur dort, wo die Liebe mit der Wahrheit identisch und die Wahrheit mit der Liebe verbunden ist, offenbart sie sich als wahre Liebe und Liebe zur Wahrheit“ (30). Wahrheit und Liebe konzentrieren sich in Jesus Christus, dem menschgewordenen Sohn Gottes, der seine ganze Identität aus der betenden Verbundenheit mit seinem Vater als Urquelle der Liebe empfängt. Daraus folgt das Bekenntnis zur Einzigkeit und Heilsuniversalität Jesu und des stellvertretenden Charakters seines Todes am Kreuz und seiner österlichen Auferstehung. Da für Ratzinger die Kirche „Volk Gottes vom Leib Christi her“ (Gregor Jankowiak) ist, geschieht ihre ersehnte Erneuerung zuerst in einer Erneuerung der Christologie, die den Mut aufbringen muss, „Christus in seiner ganzen Größe zu sehen, wie ihn die vier Evangelien in ihrer spannungsvollen Einheit zeigen“ (33). So ist es mehr als gerechtfertigt, dass Benedikt XVI. als Petrusnachfolger und als „Theologenpapst“ sein öffentliches Christusbekenntnis besonders durch sein dreibändiges Buch über Jesus von Nazareth ablegte. Auch darin erfüllte sich seine „kirchliche Existenz und existentielle Theologie“ (Maximilian H. Heim). Dem Primat des Wortes Gottes und der Glaubensannahme vor der Theologie entspricht der kosmische Primat Gottes in der kirchlichen Liturgie, der Primat des Logos vor dem Ethos (45) – nicht als Gegensatz, sondern jeweils als Ausfluss aus derselben Quelle. Im Kern ist Benedikt XVI. für Koch Offenbarungstheologe, der daher auch die ökumenische Verpflichtung und die Dimension des Schönen betont. Mit dem Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke wird Joseph Ratzingers Denken als „personalistische Theologie im Dienst an der Glaubensfreude“ (48) gesehen. Besonders in seiner Eschatologie mit einem dialogischen Unsterblichkeitsverständnis  ist ein beziehungsorientierter Personalismus greifbar.  

In die Herzmitte der existenziellen Christologie Ratzingers führt Kochs erstmals in diesem Band veröffentlichter wichtiger Aufsatz „Gottes Antlitz in Jesus Christus schauen“ (115-140), der sich neben den Jesus-Büchern vor allem auf die Veröffentlichung „Schauen auf den Durchbohrten. Versuche zu einer spirituellen Christologie“ (Einsiedeln 1984, ³2007) bezieht. Die Frage Jesu in Cäsarea Philippi: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16, 15) ist die Frage nach seiner Identität und damit auch nach der Identität der Christen. Ratzinger sieht im Beten Jesu den Ort seiner Identität, weniger wie liberale Theologen in seiner Lehre oder Verkündigung. Das einsame Beten, auch im Leiden und Sterben, offenbart die Intimität Jesu mit seinem Vater und seine Wesensgleichheit mit ihm und den Menschen. Diese wird von der kirchlichen Christologie in Nicäa und Chalkedon ausgelegt etwa gegen die Häresie des Arianismus, der heute durch Beschränkung auf die rein menschlichen oder prophetischen Dimensionen der Gestalt Jesu wieder aktuell geworden ist (126). Koch spricht mit Benedikt XVI. von einem „beunruhigenden Bedeutungsverlust des christlichen Glaubens an Jesus als Sohn Gottes“ (127) durch religionspluralistische Strömungen, die die Einzigkeit Jesu als Offenbarung Gottes relativieren. Dies berührt das Herz des christlichen Glaubens, „dem es um das elementare Bekenntnis zur geschichtlichen Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth geht“ (128). Göttliche und menschliche Freiheit findet ihre Synthese in Jesus, dem gekreuzigten Auferstandenen, als letzte Offenbarung von Gottes Liebeswillen. Im Menschen Jesus Christus dürfen und können wir das Antlitz Gottes selbst sehen.

Apologetisch und zeitkritisch aktualisiert werden diese Gedanken im Aufsatz „Was ist Wahrheit?“ als Ratzingers Kernfrage angesichts der Diktatur des Relativismus, von der er 2005 kurz vor seiner Papstwahl eindrücklich gesprochen hat. Die Frage des Pilatus an Jesus ist bis heute die Frage der Menschen, auf die die Offenbarung die Antwort gibt, dass die Wahrheit nicht relativierbar, sondern eine von Gott gesandte konkrete Person als sein Antlitz ist. Dies kann auch die Vernunft im Glauben denkend nachvollziehen, indem der Glaube Einsicht und seine eigene Vernunft sucht. Von seiner Bonner Antrittsvorlesung 1959 bis zu seiner Regensburger Rede 2006 hat Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. immer den Zusammenhang von Glaube und Vernunft thematisiert. Gegen die Relativität der Glaubenswahrheit steht auch ihre einzigartige Heiligkeit und Schönheit, die Hans Urs von Balthasar in seiner theologischen Ästhetik unter dem Begriff der „Herrlichkeit“ (doxa, kabod, gloria) hat aufleuchten lassen, Alex Stock mit vielen Beispielen in seiner „Poetischen Dogmatik“.

Ausführlich wird Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. von Kurt Kardinal Koch auch eigens beschrieben als „Theologe und Papst des Konzils“ (54-93): sein Beitrag zur Vorbereitung, seine Mitwirkung auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1963-1965) und an der nachfolgenden Rezeption, sein päpstliches Lehramt auf dem Fundament des Konzil. Schon jetzt ist er ein oder vielleicht der Kirchenvater des Konzils, der gegen ein virtuelles Konzils mit einer „Hermeneutik des Bruchs“, ob von traditionalistischer oder progressiver Seite, konsequent die Kirche auf eine „Hermeneutik der Reform“ verpflichtet hat. Koch zitiert den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, der zu Benedikts Konzilsinterpretation meinte, „dass es allein mit ihm und im Licht seiner Texte richtig verstanden werden kann“ (92). Grundgedanke ist dabei die an die altkirchliche eucharistische Ekklesiologie anknüpfende „Communio“ der Heiligen und der Christen untereinander. Explizit widmet sich der Text Kochs unter dem Titel „Einheit in Christus und in seinem Leib“ (141-165) dem ökumenischen Lehramt im Pontifikat Benedikts XVI. Das Thema ist immer präsent und umfasst alle Dimensionen des christlichen Glaubens, einschließlich Evangelisierung und Mission durch ein ökumenisches Gotteszeugnis. Das dreibändige Jesus-Buch trägt auch hier, wie ein reformierter Schweizer Pfarrer meinte, das Potenzial in sich, „die Ökumene zu mehr Einheit zu bringen, indem es in Erinnerung ruft, in wessen Nachfolge alle stehen, die sich Christen nennen“ (165). Einen besonderen Blick wirft Koch noch auf die Beziehung der Theologie und des Wirkens Benedikts XVI. zur Welt der Orthodoxie: „Begegnung zwischen biblischem Glauben und griechischem Geist“ (166-190).  Hier ist eine größere Nähe als zu den Kirchen der Reformation gegeben. Man versteht daraus auch Ratzingers Widerstand gegen die Tendenzen zur Enthellenisierung des Christlichen.

Die Heiligen und die „Artisten der Heiligkeit“ (94-114) spielen eine Rolle im Denken des bayerischen Papstes, der Augustinus und Bonaventura seine ersten wissenschaftlichen Monografien widmete. Theologie ist auf Heiligkeit verwiesen und umgekehrt. Heilige sind die primären Theologen und glaubwürdigsten Zeugen der Glaubenswahrheit. Theologie darf sich nicht rationalistisch verkrümmen, sondern muss sich immer spirituell und liturgisch befruchten lassen. Das kann gelingen, wenn der Blick frei bleibt auf Maria als „Stern der Neuevangelisierung“ (209-229), wie Benedikt sie 2012 bei der Eröffnung der Bischofssynode zur Evangelisierung nannte. Es gibt eine innere Einheit der Sendung Jesu und der Sendung Mariens, aus der auch die Mission der Kirche einen „marianischen Notenschlüssel“ (217) erhält.

In „Epilog: Das Erbe des Pontifikats von Papst Benedikt XVI.“ (230-240) versucht Koch noch eine Zusammenfassung. Benedikts Amtsverzicht im Februar 2013 erscheint ihm als „Symbol des ganzen Pontifikates“ (230), sein Petrusdienst von evangelischer Einfachheit geprägt als ein „Dienst an der Wahrheit und Schönheit des Glaubens“ (233). Er ist ein konsequenter Papst des Konzils und sein maßgeblicher Interpret, bemühte sich um Reformen aus der Mitte des Glaubens, führte weltweit „Dialoge des Friedens“ und verwies bei all seinem Wirken und Verkündigen auf Christus, das „Licht der Völker“ (Lumen gentium).

Kurt Kardinal Koch hat im hier vorgestellten Buch einfühlsame und gut lesbare Texte über das theologische Erbe von Papst Benedikt XVI. vorgelegt. Sie regen zu weiterer Lektüre an und lassen erspüren, es mit einem Kirchenlehrer von Rang und Bedeutung eines Thomas von Aquin zu tun zu haben. Dass der souveräne Theologe Joseph Ratzinger zu Papst Benedikt XVI. wurde, ist kein Zufall, sondern eine logische Fügung. Sein Rücktritt ist Zeichen seiner Souveränität auch als oberster Hirte der Kirche im Petrusamt. Er hinterlässt eine unauslöschliche Leuchtspur. Möge sein Erbe gut bewahrt und gemehrt werden, möge er selbst das verheißene ewige Erbe einmal in Freude empfangen.

 

© Dr. Stefan Hartmann, Bamberg

 

 

Stefan Oster, Person-Sein vor Gott. Theologische Erkundungen mit dem Bischof von Passau. Herausgegeben von Bernhard Klinger, Freiburg i. Br. 2015, 399 Seiten, ISBN 978-3-451-34762-7, 29.99 Euro

 

Seit Mai 2014 ist Stefan Oster, Salesianer Don Boscos und ehemaliger Dogmatiker an der PTH Benediktbeuern, Bischof von Passau, das fast zwei Jahre auf einen neuen Oberhirten warten musste. Das Warten hat sich gelohnt, nicht nur für die Kirche von Passau, sondern für den deutschen Katholizismus insgesamt. Sein Theologischer Referent Bernhard Klinger hat einen Sammelband mit von Oster selbst ausgewählten Aufsätzen herausgebracht. Person-Sein und Person-werden stehen dabei im Mittelpunkt. Ein dialogischer Personalismus, der mit dem Schwerpunkt „Begegnung und Beziehung“ vom Jesuiten August Brunner und von Martin Buber ausgeht, sich dann auf Thomas von Aquin und den Regensburger Philosophen Ferdinand Ulrich bezieht, prägt die verschiedenen Texte. Sie vermitteln dicht und im Bemühen um Verständlichkeit, was breiter in Osters mit dem Augsburger Universitätspreis ausgezeichneten Dissertation über Ulrich und seiner Trierer Habilitation bei Rudolf Voderholzer, dem heutigen Bischof von Regensburg, über die Ontologie und Phänomenologie der Gabe bis hin zur Eucharistie der Kirche philosophisch und theologisch ausgearbeitet wurde. Es ist für Oster kennzeichnend, dass eine strikte Trennung von Philosophie und Theologie in seinem Denken nicht mehr gegeben ist. Die vorliegenden Texte bieten einen breiten Einblick in seine geistige Werkstatt.

Glaube und Vernunft werden anknüpfend an Wolfgang Beinert im ersten Aufsatz zur natürlichen Gotteserkenntnis zusammen gesehen (14-33), dann die Gefahr des egozentrischen Missbrauchs von theologischer Theorie in der pastoralen Praxis aufgezeigt (34-42). Mit der Liebe Gottes zu den Menschen lässt sich nach dem Gleichnis vom verlorenen Sohn eine verborgene Wahrheit des Atheismus verbinden (43-58). Osters philosophischem Lehrer Ferdinand Ulrich sind zwei Aufsätze gewidmet, die bei aller Komplexität dessen Größe und Einmaligkeit erahnen lassen (59-107). Das christliche Menschenbild ist „Person-Sein vor Gott“, nicht idealistisch, sondern ontologisch und als Begegnung/Beziehung grundgelegt (108-124). Dem entspricht der geschilderte Realismus der Erbsündenlehre, die Oster ganz neu und ungewohnt aufleuchten lässt (125-146). Vergebung von Schuld und Sünde bedarf christlich des Stehens unter dem Kreuz (147-164). Eucharistie schließlich ist wirkliche Wandlung der Welt (165-182). Es folgen Texte zur Anthropologie des Ordenslebens, zur Erziehungsmethode seines Ordensvaters Don Bosco und der zentrale Aufsatz „Personale Selbstwerdung und Trinität“ (215-242), der über Thomas von Aquin, Sören Kierkegaard und Hans Urs von Balthasar zur „Wir-Gestalt“ der Liebe in Maria führt: „In ihr wird vollends ablesbar, dass der dreifaltige Gott im Menschen wohnt. Und dass der Mensch in seinem heilen Selbstvollzug in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Abbild des Dreieinen ist“ (242).

Ebenso zentriert auf Maria sind Osters dichte Aufsätze zur „dialogischen Denkform als Paradigma der Theologie“ (243-346). Ein Beitrag aus der Festschrift für Kardinal Walter Kasper geht von dessen Christologie aus und verbindet ihre Systematik mit der Mariologie, konkret dem thomasischen Gedanken, dass Maria stellvertretend für das Menschengeschlecht („loco totius humanae naturae“) Gott ihr Jawort sagt: „In Maria und durch ihr Sein-in-Gott  hat Gott nicht nur die geschaffene Menschennatur angenommen, sondern menschliches Personsein, den ganzen Menschen“ (265). Ähnlich sah es auch der vom Rezensenten bearbeitete Pallottinermariologe Heinrich M. Köster (1911-1993), der dafür von Karl Rahner hart kritisiert wurde. Auch die nachfolgende Auseinandersetzung mit Joseph Ratzingers Interpretation der Lehre von der eucharistischen Transsubstantiation lässt Oster marianisch konkret werden: „Meines Erachtens ist ein angemessenes Empfangen-Werden des Herrn in seinem personalen Sich-Geben nur möglich und denkbar durch eine Gestalt heiler, geschaffener Personalität, die ihrerseits so sehr in der Lage ist, dass ihr Sein-beim-ganz-Anderen, nämlich bei Christus, die tiefste Weise ihres Selbstseins ist. Diese Gestalt ist die Mutter des Herrn als Urbild und Herz der Kirche“ (294). Der ausführliche Lehr-Aufsatz über die „Allgemeine Sakramentenlehre“ (296-346) lässt wie die Konzilskonstitution über die Kirche „Lumen gentium“ alle Aspekte der Sakramentalität in der heilsgeschichtlichen Person Marias münden: „Wenn Christus Ursakrament ist, und wenn Kirche im katholischen Verständnis so etwas wie Grundsakrament ist, und wenn schließlich Sakrament nicht anders denn personal zu verstehen ist, dann ist Kirche zuerst von Maria her und in ihr: Grundsakrament – eben lebendiger, geschaffener Ort der Anwesenheit Gottes in der Welt, sein personales Heilszeichen schlechthin“ (340).

Konkret sind auch die Schlusserkundungen des Bischofs (347-391), die bereits in seine Passauer Amtszeit fallen: ein die Phänomenologie der Liebe aufgreifendes Referat vor seinen bischöflichen Kollegen über den Unterschied zwischen dem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen und dem sakramentalen priesterlichen Amt, ein ursprünglich über „Facebook“ veröffentlichter Text zur Problematik des Kommunionempfangs wiederverheiratet-geschiedener Katholiken und schließlich unzeitgemäße Gedanken zu „Gottvergessenheit und Sexualität“, die versuchen, in authentischer Sprache die kirchliche Sexualmoral einsichtig zu machen. Die strittigen Fragen werden am ontologischen und personal-dialogischen Denken orientiert souverän und eigenständig angegangen. So verdient der sachlich und strukturiert argumentierende Autor auch den aufmerksamen Respekt derer, die in einigen pastoral-praktischen Fragen vielleicht (noch) andere Schlüsse ziehen. Die philosophisch-theologischen Texte des sensibel dem personalen Geheimnis von Begegnung und Beziehung verpflichteten Bandes sind nicht immer leicht zu lesen, lohnen aber reichlich jede ihnen gewidmete Mühe. Sie lassen Osters bischöfliches Motto „Victoria veritatis caritas“ (Der Sieg der Wahrheit ist die Liebe) erspüren und können es bestätigen.

 

© Dr. Stefan Hartmann, Bamberg

 

 

Walter Kardinal Kasper, Martin Luther. Eine ökumenische Perspektive, Ostfildern (Patmos) 2016

 

Hervorgegangen aus einer auf Einladung der Guardini-Stiftung gehaltenen Vorlesung an der Berliner Humboldt-Universität präsentiert Walter Kardinal Kasper, langjähriger Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, knapp, verständlich und instruktiv seine Gedanken zu Martin Luther in einer ökumenischen Perspektive mit Blick auf das 500-jährige Reformationsjubiläum 2017. Der renommierte Theologe, dessen Werke weltweit übersetzt wurden, nähert sich Luther ohne Voreingenommenheit oder Ressentiment, so dass auch die problematischen Züge seiner Gestalt und seiner Wirkung Erwähnung finden („Die vielen Lutherbilder und der fremde Luther“). Kasper stellt Luther in den historischen Kontext einer Übergangszeit des Niedergangs und des Aufbruchs, in der er trotz mittelalterlicher Wurzeln zusammen mit seinem Gegenpart Erasmus von Rotterdam entscheidend den „Geist der Neuzeit“ prägte. Sein Anliegen war die Erneuerung der ganzen Christenheit durch das Evangelium. Mit ihm entstand vorübergehend ein „konfessionelles Zeitalter“, das aber in der Gegenwart der Ökumene überholt ist. Hier bleibt Kasper dennoch realistisch: „Wir sind uns einig, dass wir die Einheit wollen, aber nicht einig, worin die Einheit besteht und wohin die ökumenische Reise führen wird“ (54). Ein Meilenstein war sicher nach dem Ökumenismusdekret des II. Vatikanum die Augsburger „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (1999).  Da diese in beiden Kirchen noch zu wenig angenommen und verarbeitet ist, plädiert Kasper, auch die Botschaften Martin Luthers betreffend, für eine „rezeptive, voneinander lernende Ökumene“ (65), die zur vollen Katholizität und Einheit führen kann. Mit Papst Franziskus greift er Oscar Cullmanns Begriff der „versöhnten Verschiedenheit“ (63) auf. Der engagierte, lehrreiche und transparente Text Kardinal Kaspers kann Protestanten und Katholiken sehr gut vorbereiten auf das anstehende Reformationsjubiläum, für das er als „beste ökumenische Idee“ den Vorschlag des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm hält, „ein gemeinsames Christusfest zu feiern“ (56).

 

 

Walter Kardinal Kasper, Barmherzigkeit. Grundbegriff des Evangeliums - Schlüssel christlichen Lebens, Freiburg i.Br. (Herder) 2012

 

Erzbischof Rino Fisichella, Was ist Neuevangelisierung?, Sankt Ulrich Verlag Augsburg 2012, 189 Seiten, ISBN 978-3-86744-219-0, € 22,00 

Der in Italien sehr populäre Kurienerzbischof Rino Fisichella (Jg. 1951), der zuvor Rektor der Lateranuniversität und Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben war, wurde im Juni 2010 von Papst Benedikt XVI. zum Präsidenten des neu errichteten Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung ernannt. Diesem Thema widmet sich auch die Bischofsynode im Oktober 2012 zum Konzilsjubiläum und zum Beginn des dazu ausgerufenen „Jahr des Glaubens“. Nun legt Fisichella im Augsburger Sankt Ulrich Verlag erste Impulse und Umschreibungen zu der ihm vor allem für die säkularisierten und ehemals christlich geprägten Länder des Westens anvertrauten Aufgabe vor. Was Benedikt XVI. mit dem neuen Rat vorschwebt, fügt sich kontinuierlich ein in die Vorgaben des Konzils, des Apostolischen Schreibens  „Evangelii nuntiandi“ Pauls VI. und der Lehre Johannes Pauls II., auf den der Begriff „Neuevangelisierung“ zurückgeht. Während vor dem II. Vatikanum der Begriff Evangelisierung in vielen Ohren noch einen protestantisch-lutherischen Beigeschmack hatte, ist er nun zu einem Zentralwort der kirchlichen Verkündigung geworden. Seine Grundlage sieht Fisichella im Evangelium selbst, dessen „Herold“ die Kirche sein soll.

Kontext und Notwendigkeit einer Neuevangelisierung ergeben sich aus dem Bewusstsein, in einer „neuen Epoche“ der Kirchen- und Weltgeschichte zu stehen, aus dem Säkularismus und einem weit verbreiteten Leben „als ob es Gott nicht gäbe“ (etsi Deus non daretur). Fisichella analysiert diese Strömungen und stellt sie in Verbindung mit Gedanken Dietrich Bonhoeffers über ein „religionsloses Christentum“ und des Baptisten Harvey Cox mit seinem Buch „Stadt ohne Gott“, das als eine Art Manifest der modernen Säkularisierung aus den 1960er Jahren gilt.

Papst Paul VI. beobachtete bereits: „Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche“ (19). Dies führte besonders Europa in eine geistig-geistliche Krise seiner Identität. „Losgelöst vom Christentum ist eine reife Identität weder für die einzelnen noch für die Völker möglich“ (51), insbesondere die vom Christlichen mehr als von abstrakten Strukturen und Finanzdaten geprägten Völker Europas. Laizität bedeutet nicht den Ausschluss des Christentums aus dem öffentlichen Leben, sondern recht verstanden gerade „die Übernahme dessen, was dieses als seien ureigensten Beitrag anzubieten hat“ (53). Fisichella verifiziert dies mit einem eindrücklichen Tocqueville-Zitat über die Katholiken in Amerika. Sterile Neutralität kann nicht die Lösung sein, denn wenn Europa „sich seiner Vergangenheit, seiner tragenden Fundamente und seiner christlichen Identität schämt, die es bis heute prägt, dann wird es keine Zukunft haben“ (58).   

Zentrum der neuen Evangelisierung ist natürlich Jesus Christus als „derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,89). Dies ist wichtig, damit „Neuevangelisierung“ nicht zu einem Schlagwort oder „zu einer abstrakten Formel verkommt“ (63). Als Methode empfiehlt der Fundamentaltheologe Fisichella die Magna Charta der christlichen Apologetik aus 1 Petr 3,15: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“. In Richtung traditionalistischer Verschanzung fällt ein klarer Satz: „Die Vorstellung, dass die Neuevangelisierung durch eine bloße Wiederbelebung alter Formen gelingen könnte, ist eine Illusion, von der wir uns verabschieden müssen“ (68).

Zu konkreten Schauplätzen der Neuevangelisierung zählt der Autor in einem eigenen Kapitel das Leben der Kirche in den Diözesen, den Gemeinden, Orden, geistlichen  Bewegungen und Familien. Ein konkreter Ort ist die Liturgie, die die Lex credendi mit der Lex orandi verbindet. Wichtig ist, die Chancen zur Evangelisierung bei den Gottesdiensten mit Sensibilität und gut vorzubereitender Predigt aufzugreifen. Auch die caritative Liebe und die Ökumene bieten dazu Gelegenheit. Die neuen Medien und Kommunikationsmittel sollen offensiv genutzt werden „wie ein moderner Areopag, aus dem sich der Christ nicht heraushalten darf“ (94). Insgesamt gehört Evangelisierung zum Sendungsauftrag der Kirche. Sie wird dabei mutig versuchen, Wahrheit und Liebe nicht gegeneinander zu stellen und auch an das Sakrament der Beichte erinnern. Identität ist nicht individualistisch zu sehen, sondern als Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Kirche. Fisichella lobt auch das Instrument des „Katechismus der Katholischen Kirche“ für eine Erwachsenen-Katechese auch ohne direkten Bezug zur Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente. Mit der Anthropologie der Lehre Johannes Pauls II. schlägt er einen „Neohumanismus“ vor, der sich mehr am konkreten Menschen als an ideologischen Konzepten ausrichtet.

Als „neue Boten des Evangeliums“ gelten alle Getauften. Das Priestertum als „Kühnheit Gottes“ (131) wird vor allem im Bezug zur Eucharistie geschildert. Am Schluss seines Buches verweist Fisichella unter Berufung auf Hans Urs von Balthasars theologische Ästhetik „Herrlichkeit“ auf den Weg der Schönheit als evangelisierende Erfahrung. Hier leben wir in einer oft paradoxen und widersprüchlichen Situation zwischen extremer Verfeinerung und offenkundigem Verfall. „Wo die Schönheit schwindet, da fehlt auch die Liebe und mit ihr der Sinn des Lebens und die Schaffenskraft“ (146). Daher hat die Kirche auch den Auftrag, die Schönheit zu behüten. Sie wird sichtbar in der Kunst, wobei der christlichen Kathedrale ein Ehrenpatz zukomme. Ausführlich als moderne (auch marianische) Ikone der Evangelisierung und „Katechismus aus Stein“ beschreibt Fisichella dann Antonio Gaudis Kirche „Sagrada Familia“, die 2010 von Benedikt XVI. in Barcelona geweiht wurde. Analog soll jeder Gläubige an einer geistigen Kathedrale mit bauen. Das Buch des Präsidenten des neuen Päpstlichen Rates zur Förderung einer neuen Evangelisierung ist allen zu empfehlen, die mit einem Hauptanliegen der Kirche fühlen und dafür ein „hörendes Herz“ haben.   

 

Martin Mosebach, Der Ultramontane. Alle Wege führen nach Rom, St. Ulrich Verlag Augsburg 2012, 160 Seiten, ISBN 978-3-86744-215-2, € 16,95 

Der Frankfurter Schriftsteller Martin Mosebach (Jg. 1951), der 2007 den Georg-Büchner-Preis erhielt und stilistisch bemerkenswerte Romane, Feuilletons und Reiseberichte verfasste, beschäftigt sich schon länger mit Themen des Katholizismus. Seit der Streitschrift „Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind“ (Wien 2002; erweiterte Neuauflage München 2007) gilt er in kirchlichen Kreisen und darüber hinaus vor allem als Verteidiger der traditionellen katholischen Liturgie und Kritiker der Liturgiereform in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die weiteren seither erschienenen Aufsätze zu Kirchen-, Glaubens- und Liturgiefragen veröffentlicht nun der Augsburger Sankt Ulrich Verlag unter dem Titel „Der Ultramontane. Alle Wege führen nach Rom“.

Ultramontan – von ultra montes: jenseits der Berge (Alpen) – galten während des 19. Jahrhunderts vor allem im preußisch dominierten Deutschland mit seinem „Kulturkampf“ die Katholiken, die sich nicht zuerst dem Preußen-Kaiser, sondern dem Papst in Rom gegenüber in Loyalität verbunden sahen. Mosebach sieht sich mit dem Titelbild des Buches selbst als einen überzeugten Ultramontanen, für den die Gesellschaft des Heimatlandes in den Fragen von Recht und Moral nicht das letzte Wort zu sprechen hat: „Ultramontanismus ist die große antitotalitäre Verweigerung“ (8). Der Ultramontane bezieht sich auf die Person des jeweiligen Papstes und die Stadt Rom. Den deutschen Papst Benedikt XVI. sieht Mosebach wegen des nördlich der Alpen grassierenden „antirömischen Affekts“ (ein Begriff des späteren Nazi-Juristen Carl Schmitt, den Hans Urs von Balthasar 1974 wieder aufgriff) und der säkularistischen Entwicklung des deutschen Katholizismus als „Papst ohne Land“, für den es „kein fremderes und ferneres Land gibt als sein deutsches Heimatland“ (126), in dem es ja im 20. Jahrhundert einmal die Parole gab: „Ohne Juda, ohne Rom, bauen wir den deutschen Dom“.

Dem Papst, darunter zum Jahreswechsel 2004/2005 der Vision eines chinesischen Märtyrer-Papstes, widmen sich allein fünf Aufsätze, einer auch der Stadt Rom und ihrer geschichtlichen Bedeutung. Viele Akzente und Schwerpunkte Benedikts XVI. werden gut beobachtet, irritierend aber ist das Lob für die nach den internationalen Missbrauchsskandalen unsensible Solidaritätsadresse Kardinal Sodanos an Ostern 2010 und der inzwischen ja widerlegte Optimismus bezüglich des Dialoges mit der Piusbruderschaft.  Kritisch gegen die neue Liturgieform äußert sich Mosebach in einem Beitrag für den Ulmer Katholikentag 2004 („An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“) und in einer Apologie des alten römischen Messbuches aus der Traditionalisten-Zeitschrift „Una Voce“. Hier wird trotz berechtigter Sorge doch manches zu negativ und einseitig gesehen. Die ganze Geschichte der Liturgischen Bewegung schon vor dem Konzil (seit Solesmes) und der Beitrag Romano Guardinis scheint Mosebach unbekannt zu sein. Leider fehlt ihm auch jegliches Verständnis für die Berechtigung lutherisch-reformatorischer und preußisch-aufklärerischer Traditionen. Und „Rom“ sollte schließlich nicht von „Athen“ und „Jerusalem“ isoliert werden.

Den Schriftsteller und Dichter erspürt man besonders aus den beiden Beschreibungen über den Marienwallfahrtsort Lourdes und dessen Marienstatue als „Ikone“ des westlich-Katholischen. Der Aufsatz „Das Gebet“ vertritt interessante Thesen zur Frage des Ritus, lässt aber von der auch einfachen Christen möglichen mystischen Innerlichkeit christlichen Betens wenig erahnen. Beigegeben ist die Aufsehen erregende Stellungnahme Mosebachs aus der „Frankfurter Rundschau“  für ein Blasphemieverbot (mit einer „Nachbemerkung für die wohlwollenden unter meinen Kritikern“). So kommt der Leser dieser anregenden und die Auseinandersetzung lohnenden Aufsatzsammlung sicher auf seine Kosten, viele „nördlich der Alpen“ können ein besseres Verständnis des gegenwärtigen Pontifikates lernen, aber es bleiben etliche Paradoxe und am Ende die Erkenntnis: ein deutscher Chesterton ist Martin Mosebach nicht – vielleicht auch, weil es ihm dazu an katholischem Humor und katholischer Großherzigkeit (magnanimitas) mangelt.

 

Jan-Heiner Tück (Hg.): Passion aus Liebe. Das Jesus-Buch des Papstes in der Diskussion, Ostfildern (Grünewald) 2011

 

Ottmar Fuchs: Im Raum der Poesie. Theologie auf den Wegen der Literatur, Ostfildern (Grünewald) 2011

 

Arnold Angenendt: Die Revolution des geistigen Opfers. Blut - Sündenbock - Eucharistie, Freiburg i. Br. (Herder) 2011

 

Marius Reiser: Bibelkritik und Auslegung der Heiligen Schrift. Beiträge zur Geschichte der biblischen Exegese und Hermeneutik (WUNT 217), Tübingen (Mohr Siebeck) Studienausgabe ²2011 

 

Mariano Delgado, Volker Leppin (Hrsg.): Der Antichrist. Historische und systematische Zugänge (Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte Bd. 14), Fribourg/Stuttgart (Academic Press/W. Kohlhammer) 2011

Susan Gottlöber, René Kaufmann (Hg.): Gabe - Schuld - Vergebung (FS Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz), Dresden (Thelem) 2011

 

Hanns-Gregor Nissing, Stefan Zekorn (Hg.): Staunend vor dem Menschen. Das Denken Papst Johannes Pauls II., Kevelaer (Butzon & Bercker) 2011

 

Karol Wojtyla: Wer ist der Mensch? Skizzen zur Anthropologie. Eingeleitet und übersetzt von Hanns-Gregor Nissing, München (Pneuma) 2011

 

Edith Olk: Die Barmherzigkeit Gottes als zentrale Quelle des christlichen Lebens. Eine theologische Würdigung der Lehre von Papst Johannes Paul II., St. Ottilien (EOS) 2011 

 

Knut Wenzel (Hg.): Lebens-Lüste. Von der Ambivalenz der menschlichen Lebensenergie, Ostfildern (Grünewald) 2010

 

Gregor Taxacher: Apokalyptische Vernunft. Das biblische Geschichtsdenken und seine Konsequenzen, Darmstadt (WBG) 2010 

 

Hubert Frankemölle, Josef Wohlmuth (Hg.): Das Heil der Anderen. Problemfeld "Judenmission" (QD 238), Freiburg i. Br. (Herder) 2010

 

Guido Bausenhart: Einführung in die Theologie. Genese und Geltung theologischer Aussagen, Freiburg i. Br. (Herder) 2010 

 

Józef Tischner: Der Streit um die Existenz des Menschen, Berlin (Insel) 2010

 

Klaus Berger: Der Wundertäter. Die Wahrheit über Jesus, Freiburg i. Br. (Herder) 2010, 276 Seiten

Im Schatten und im Licht der beiden Jesus-Bücher des Papstes (2007/2011) hat eine neue intensive Grundlagendiskussion zu Fragen der Hermeneutik und Exegese der Evangelien und des gesamten Neuen Testamentes eingesetzt. Einer, der sich schon seit Jahren abseits des „mainstreams“ damit befasst, ist der Heidelberger Neutestamentler Klaus Berger (Jg. 1940), der zu seinem 70. Geburtstag mit „Der Wundertäter. Die Wahrheit über Jesus“ noch einmal in die Diskussion eingreift und die von Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. nur am Rande behandelte Wunderfrage in den Mittelpunkt seines Jesus-Bildes stellt. Damit schließt er sich an seine populären Bücher „Wer war Jesus wirklich?“ (Stuttgart 1995) und „Jesus“ (München 2004) an, in denen – frei nach Bertolt Brecht – gerade das Verfremdende und Provozierende der Jesusgestalt „postmodern“ zum Nachdenken über eine mögliche Göttlichkeit Anlass gibt. Berger sieht zwei Stränge der Wunderinterpretation: den der herkömmlichen historisch-kritischen Exegese, die mit Bultmann sich existentialistisch auf die paulinische Kreuzes- und Rechtfertigungstheologie konzentriert und unter Wundern „Mirakel“ eines inzwischen überholten Weltbildes versteht, sowie eine stärker am biblischen Zeugnis orientierte Position, die in den Wundern göttliche Machtzeichen und den Beginn der Veränderung und Neuschöpfung der Welt durch Gott erkennt. In großer Souveränität seiner Schriftkenntnis und exegetischen Kompetenz führt Berger diese zweite Linie weiter aus und schildert Jesus als „größer als die Propheten“, sowie die Verbindung von Wundern mit Messianität, Kirchengründung und urchristlicher Geschichte. Eher systematisch sind die Überlegungen zum Thema „Wunder und Theodizee“ und Vorschläge, mit einem phänomenologischen Ansatz die Aporien der Entmythologisierungsexegese zu überwinden. Berger meint, „dass diejenigen, die unsere Wirklichkeit gegen Wunder abdichten, sich eher fragen sollten, ob sie mit ihren vermeintlich abschließenden Instrumenten historischer Kritik der Herausforderung durch das Phänomen Wunder wirklich gewachsen sind“ (Seite 248). Zentral ist den Wundern der Bibel und speziell des Neuen Testamentes ihre Leiblichkeit – wie könnte es auch anders sein in einer Religion der Mensch- und Leibwerdung Gottes, die „wunderbar“ weiterwirkt in der Eucharistie als „Brot des Lebens“ (Joh 6,48). In der von ihm gewohnten Art fasst der Autor seinen Ansatz in neun „Schlussthesen“ zusammen: „Jesus ist höher als alle Propheten (inklusive Moses) und heiliger als alle Institutionen Israels. In ihm handelt Gott. Das ist die Wahrheit über Jesus, welche die Wundergeschichten erzählen“ (These 1). Bergers Apologie der jesuanischen Wunder, die sich auch mit seinem Heidelberger Kollegen Gerd Theißen auseinandersetzt, sollte trotz der eingängigen Sprache in der Fachwelt die ihr gebührende Beachtung finden und kann den Leserinnen und Lesern Jesus von Nazareth näher bringen: „Wahrhaftig, das war Gottes Sohn!“ (Mt 27,54).

 

Wolfgang Buchmüller (Hg.): Von der Freude, sich Gott zu nähern. Beiträge zur cisterciensischen Spiritualität, Heiligenkreuz (Be&Be Verlag) 2010

Die Spiritualität der Zisterzienser und ihres Gründungsvaters Bernhard von Clairvaux ist eine Fortführung und Vertiefung der persönlich-personalen johanneisch-augustinischen Spiritualität der Liebe im Verhältnis des Gläubigen zu Gott, zu Jesus Christus und zur Gottesmutter Maria. An dem seit vielen Jahren erstaunlich aufblühenden österreichischen Zisterzienserstift Heiligenkreuz, das über eine eigene nach Papst Benedikt XVI. benannte Philosophisch-Theologische Hochschule verfügt, fand im Herbst 2008 eine Tagung zur Geistigkeit des Ordens und seiner großen Frauen und Männer der Anfangszeit statt, deren Referate nun in einem Sammelband vorliegen. Zu Beginn führt der Herausgeber Wolfgang Buchmüller OCist allgemein in den oft schillernden Begriff der Spiritualität ein, um ihn dann in der Sicht des hl. Bernhard zu konkretisieren.  Karl Wallner OCist, der Rektor der Heiligenkreuzer Hochschule, führt als Mitorganisator weiter in das Tagungsthema ein und baut Brücken für die Gegenwart zwischen Bibel, Dogma und monastischer Theologie. Der bekannte Heidelberger Neutestamentler Klaus Berger präsentiert zentrale Gedanken aus dem von ihm demnächst veröffentlichten Römerbriefkommentar Wilhelms von Saint-Thierry. Bernhard Vošicky OCist, der charismatische Stiftspfarrer von Heiligenkreuz, stellt zum damaligen „Paulusjahr“ Gemeinsamkeiten zwischen Bernhard von Clairvaux und dem Völkerapostel dar. Der renommierte Wiener Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger widmet sich der Hoheliedauslegung Bernhards und neueren Tendenzen in der wissenschaftlichen Auslegung des „Cantica Canticorum“. Durch eine „kanonische“ Exegese wird eine geistlich-allegorische Deutung wieder annehmbar. Mauro- Giuseppe Lebori, Abt von Hautrive und neuer Generalabt des Zisterzienserordens, referiert über die Bibel im Alltag der frühen Zisterzienser. Herausgeber Buchmüller stellt sodann eine Verbindung her zwischen der affektiven Betrachtungsmethode Aelreds von Rievaulx und der „Anwendung der Sinne“ bei Bonaventura, sowie der „Zurichtung des Ortes“ in den Exerzitien des hl. Ignatius von Loyola. Rupert Fetsch OCist behandelt das ökumenisch brisante Thema „Rechtfertigung ganz aus Gnade“ bei der Helftaer Zisterzienserin Mechthild von Hackeborn und entwickelt erstaunliche Perspektiven. Schließlich werden die Helftaer Frauen Mechthild und Gertrud die Große in ihrer charakteristischen Mystik vorgestellt unter dem Aspekt der „göttlichen Einwohnung“ (Agnes-Regina Willi, Heiligenkreuz) und von Wort und Sakrament als Ort der Gotteserfahrung (Marianne Schlosser, Wien). Deren innige Gebetsbeziehung zu Jesus Christus ist (vor den Visionen einer Margareta Alacoque) eigentlicher Ursprung der Herz-Jesu-Verehrung  gewesen. Alle Artikel sind eine reichhaltige Erkenntnisquelle und eine große Einladung in eine keineswegs auf Klöster und Ordensleute beschränkte Spiritualität der Freude über die Nähe Gottes in seinem Mensch gewordenen Sohn Jesus Christus.  

 

Wolfgang Klausnitzer: Kirche, Kirchen und Ökumene. Lehrbuch der Fundamentaltheologie für Studierende, Religionslehrer und –lehrerinnen, Pustet Verlag, Regensburg 2010

Der Würzburger Fundamentaltheologe und Ökumeniker Wolfgang Klausnitzer (Jg. 1950) behandelt im dritten und umfangreichsten Band seines fundamentaltheologischen Lehrbuches – nach „Glauben und Wissen“ (1999) und „Gott und Wirklichkeit“ (2000) – den letzten „Traktat Kirche“, der traditionellerweise „demonstratio catholica“ genannt wurde. Neu ist dabei die konsequent ökumenische Blickrichtung, die auf das umfassende Spezialwissen und die Literaturkenntnis des Verfassers zur Thematik zurückgreifen kann. Dabei werden exegetische, historische, religionssoziologische, terminologische und systematische Aspekte eingebracht, um das Kirchenthema fundamentaltheologisch zu erfassen. Die ökumenische Verortung ist durchgehend präsent und keineswegs ein „Anhängsel“. Sie wird auch in all ihren Problematiken und vorhandenen Aporien nüchtern beschrieben, besonders was die verschiedenen Einigungsvorstellungen angeht. Nach einem Abriss der Geschichte des Kirchentraktates wird historisch-kritisch und systematisch die Frage „Jesus und die Kirche“ behandelt. Hat Jesus eine Kirche gestiftet oder „gegründet“? Dann werden die zentralen Kirchenbilder des Neuen Testaments und der Wandel des Kirchenbildes im Lauf der Jahrhunderte vorgestellt. Eigene ausführliche Kapitel bilden die „Spaltungen“ innerhalb der Christenheit, die Geschichte der ökumenischen Bewegung und die „Zielvorstellungen“ der Ökumene. Die Rolle des Papsttums, dem der Verfasser mehrere historisch-systematische Studien widmete (zuletzt: „Der Primat des Bischofs von Rom“, Freiburg 2004), kommt im Kapitel über das Vaticanum I zusammen mit aktuellen Interpretationen zur Sprache. Im II. Vaticanum wird erstmals auf einem Konzil um das Kirchenverständnis gerungen, wobei der Verf. die Begriffe „Mysterium“, „Volk Gottes“, „Leib Christi“ und „Communio-/Jurisdiktions-Modell“ im Vordergrund sieht. Dabei vermisst er unter Hinweis auf schon von John Henry Newman geforderte Entscheidungen zur Ekklesiologie „eine mit konziliarer Autorität lehramtlich ausgeführte Theologie des Priesteramtes, des Amtes insgesamt (und der vielen einzelnen Ämter) und des allgemeinen Priestertums“ (337). Der vorliegende fundamentaltheologische Kirchentraktat ist von umfassender Kenntnis und abgewogenen Urteilen geprägt. Er vermittelt souverän den Stand der theologischen und ökumenischen Diskussion um das Kirchenthema, ohne dabei eine eigene „Ekklesiologie“ vorzulegen. Dies wäre ja auch nicht Aufgabe einer Fundamentaltheologie, die zwar Glaube und Vernunft verbindet, aber keine dogmatischen Festlegungen trifft. Die ökumenische Blickrichtung auf die glaubwürdige Einheit der Christen ist aber unabdingbar, wenn die Kirche selbst durch ihre „katholische Einheit ... ein mächtiger und fortdauernder Beweggrund der Glaubwürdigkeit und ein unwiderlegbares Zeugnis ihrer göttlichen Sendung“ (DH 3013) sein soll. Klausnitzers „Lehrbuch“ liefert dazu wertvolle und verlässliche Bausteine.

 

Erik Peterson: Ekklesia – Studien zum altchristlichen Kirchenbegriff (Ausgewählte Schriften Sonderband), Würzburg (Echter) 2010

 

Ein vertieftes Verständnis der Kirche steht auf der Tagesordnung der Theologie, besonders im Blick auf die Ökumene. Parallel zur Ausgabe der ekklesiologischen Schriften Joseph Ratzingers / Benedikts XVI. (JRGS Band 8) liegen nun bisher weitgehend unbekannte Studien Erik Petersons (1890-1960) zum altchristlichen Kirchenbegriff aus der Zeit vor seiner Konversion (Rom 1930) vor, die anlässlich seines 120.Geburtstages und 50. Todestages in einem Sonderband der seit 1994 erscheinenden „Ausgewählten Schriften“ von der Peterson-Spezialistin Barbara Nichtweiß (Mainz) herausgegeben wurden. Der Ekklesia-Begriff wird dem der Synagoge und der „Himmelsstadt“ gegenübergestellt, dann auch die Rolle des Kirchenrechts begründet. Die Präzision der Argumentation Petersons sticht hervor. Man nehme nur den Satz im Anschluss an Mt 16,18: „Kirche wird gebaut, aber nicht gegründet. Gegründet wird die Stadt“ (36), oder die (auf Loisy zielende) Feststellung: „Die Kirche ist weder mit der Stadt Gottes noch mit dem Reich Gottes schlechtweg identisch, aber sie ist doch mit beiden Begriffen innerlichst verbunden“ (44f). Noch einmal abgedruckt ist der bekannte Aufsatz „Die Kirche“ (1928), der die Rolle der zwölf Apostel  und die Sendung zu den Heiden besonders betont, und die Einleitung zum „Buch von den Engeln“ (1935). B. Nichtweiß und H.-U. Weidemann kommentieren die Texte ausführlich und kenntnisreich, Karl Kardinal Lehmann steuert unter aktuell ökumenischem Aspekt Gedanken zu Apostolizität und apostolischer Sukzession bei. Das Buch bezeugt nicht nur Petersons exegetische Intuition und seine Kenntnis des antiken Rechtsdenkens, sondern enthält auch viele Impulse zur Geistunterscheidung in Diskussionen der Gegenwart.    

 

 

Michel Henry: Christi Worte. Eine Phänomenologie der Sprache und Offenbarung. Übersetzt aus dem Französischen von Maurice de Coulon und mit einem Nachwort von Rolf Kühn, Freiburg / München (Alber) 2010 

"Christi Worte" bildet als letztes Werk Michel Henrys (1922-2002) zusammen mit "'Ich bin die Wahrrheit'. Eine Philosophie des Christentums" (1997) sowie "Inkarnation. Eine Philosophie des Fleisches" (2002) eine Trilogie, die mit dieser Übersetzung jetzt vollständig im Deutschen vorliegt. Ausgehend von der radikal phänomenologischen Unterscheidung eines Erscheinens von "Leben" und "Welt" versteht Henry Christi Botschaft an die Menschen ebenfalls in dieser Doppelheit: Er benutzt die welthaften Sprachstrukturen, um darin eine Umkehr des menschlichen Selbstverständnisses einzuleiten, insofern der "Mensch" in seiner unzeitlichen Geburt "Sohn des Lebens" ist und kein bloßes "In-der-Welt-sein". Da sich in der reinen Selbsterprobung des Lebens das Wesen Christi als des Erst-Lebendigen in Gott und des darin ebenfalls gebürtigen Menschen entsprechen, kann dieser auch unmittelbar Christi Wort als Verbum Dei oder Logos in sich hören und verstehen. Henrys "postatheistische" Überlegungen dürften für das gegenwärtige und kommende Selbstverständnis des Christentums von unübersehbarer Relevanz sein. Vertiefend legt sich ein Vergleich mit der "Theologik" Hans Urs von Balthasars nahe.

 

Thomas Ruster: Die neue Engelreligion. Lichtgestalten – dunkle Mächte, Kevelaer (Butzon & Bercker) 2010

Moralisierung, Entmythologisierung, Horizontalisierung und Banalisierung von Theologie, Verkündigung und Liturgie haben der berechtigten „anthropologischen Wende“ vielfach ihren Kredit geraubt. Die verlorene Sehnsucht nach Transzendenz artikuliert sich nun immer auffälliger in einer  „Engelreligion“, der der Dortmunder Systematiker Thomas Ruster eine kritisch weiterführende Untersuchung widmet, die auch für Nichttheologen verständlich und lehrreich ist. Der Engel-Boom (wofür Ruster Bücher von Giulia Siegel, Jana Haas, Doreen Virtue, Helga Schaub und Angelika Arnolds – übrigens alles Frauen – als repräsentativ ansieht) ist mehr als ein esoterisches ein soziologisches Phänomen, auch in seinen „dunklen“ Ausprägungen von „Heavy Metal“  und „Gothic“. Ruster plädiert für eine Neuentdeckung des Himmels und seiner Sphären, unterscheidet aber davon gewissenhaft den biblischen Gottglauben. In der christlichen Tradition finden sich von Dionysius Areopagita bis Thomas von Aquin systematische und oft isolierte Angelologien, aber erst Hildegard von Bingen stellt die Verbindung zur menschlichen Welt her. Während die Aufklärung und Immanuel Kant (in seiner Auseinandersetzung mit Swedenborg) die übernatürliche Welt der Engel ablehnen, versucht Ruster selbst eine Neuinterpretation in Anknüpfung an die traditionelle Dogmatik, die Systemtheorie Nikolaus Luhmanns und Giorgio Agambens "Die Beamten des Himmels". Damit beschreibt er den Auftrag der Engel im „göttlichen Rechtswesen“, sei es nun das „Tora-System“ oder die Liturgie speziell der Ostkirche (Alexander Schmemann). Die dem aktuellen Trend zum Individualismus entgegenkommende neue Engelreligion kann so auch zur Wiederentdeckung fundamentaler Wahrheiten des Christlichen beitragen. Nicht behandelt (oder übersehen) wird von Ruster die Funktion der Engel im ästhetisch-künstlerischen Sinn, sei es bei Dante, bei Mozart,  Paul Klee, Walter Benjamin oder Rainer Maria Rilke.      

 

Karl Rahner: Priesterliche Existenz. Beiträge zum Amt in der Kirche (Sämtliche Werke Bd. 20), Freiburg (Herder) 2010

Passend zum von Papst Benedikt XVI. ausgerufenen „Jahr des Priesters“ erscheint in den kritisch edierten „Sämtlichen Werken“ Karl  Rahners der von Andreas R. Batlogg und Albert Raffelt bearbeitete Band „Priesterliche Existenz. Beiträge zum Amt in der Kirche“, der neben der Sammlung „Knechte Christi“ (1967) weitere Arbeiten zu dogmatischen, spirituellen und praktischen Fragen des priesterlichen Dienstes enthält, sowie einige Interviews, Stellungnahmen und Predigten zur Thematik. Sie alle zeigen, wie intensiv und engagiert Rahner sich mit den Fragen und Problemen des Weihepriestertums auseinandersetze. Darunter findet sich auch der seinerzeit viel diskutierte und später um eine – ebenfalls mitabgedruckte – Antwort auf Stellungnahmen ergänzte offene Brief zur Frage des Zölibates, in dem Rahner diese Lebensform als angemessen verteidigt, allerdings aufgrund der seelsorglichen Situation auch Öffnungen erwägt. Ähnlich argumentiert das von ihm verfasste „Memorandum zur Zölibatsdiskussion“ von 1970, das auch die Unterschriften von J. Ratzinger, W. Kasper, R. Schnackenburg und K. Lehmann trägt (355-362). Rahners Überlegungen zu Wesen und Gestalt des priesterlichen Amtes haben nichts von ihrer Aktualität verloren und können einer gegenwärtig oft emotionalisierten Debatte zu mehr Sachlichkeit und Ruhe verhelfen. Aus allen Beiträgen spricht einerseits Rahners pastorale Intention, anderseits seine Sorge um eine dogmatisch korrekte Fundierung des Amtes in der Kirche. Deutlich wird die Konstanz seines theologischen Denkens und die sprachliche Kraft seiner geistlichen Texte.

 

Wolfgang Klausnitzer: Minima Theologica. Ansprachen und Betrachtungen, Heiligenkreuz (Be&Be) 2010

Wolfgang Klausnitzer, Bamberger Domkapitular, seit Auflösung der Bamberger Theologischen Fakultät Würzburger Universitätstheologe (Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft), Gastprofessor in Chichester und Heiligenkreuz, ehemaliger Regens des Priesterseminars, Verfasser von theologischen Lehrbüchern und bekannter Autor großer Werke über Newman, Luther und das Papsttum in seiner ökumenischen Dimension, veröffentlicht hier kurze theologische Texte, Ansprachen, Predigten, Grußworte und Schriftbetrachtungen mitsamt einem sehr persönlichen "Lebensbericht als Zwischenbilanz". Die Anspielung auf Adornos "Minima Moralia" ist gewollt und zutreffend. Die gebotenen Stücke sind luzide, mit Salz und Humor gewürzt, und zeugen von einem weiten Bildungshorizont, wie er heute selten geworden ist. Fragen zur Theologie und ihrer praktischen Relevanz, zur Würde des Menschen, zu "Jesus Christus - das menschliche Antlitz Gottes" (75-88), das "katholische Wort 'und'", zum Priestertum und zum Bischofsamt werden klar und konzis behandelt. Die universitäre Existenz katholischer Theologie wird mehrfach in ihrer Zweckhaftigkeit begründet. Ausführlicher geht der Verfasser auf das Verhältnis von Israel und Kirche nach "Nostra Aetate" ein (194-243). Das Werk kann "Lust an der Theologie" (101-108) wecken und enthält eine "Sammlung von glänzenden Edelsteinen, die gerade deshalb wertvoll sind, weil sie klein sind" (Klappentext) - man lese dazu nur einmal die "Begrüßung zu einer Antrittsvorlesung" (113f). Klausnitzer, der die Prägung durch eine ignatianische Spiritualität erkennen lässt, zeigt auch, wie sehr echte Liberalität, ökumenisch-interreligiöses Dialoginteresse und kirchengebundene Katholizität zusammengehen können.        

 

Peter Reifenberg (Hg.): Einladung ins Heilige. Guardini neu gelesen, Würzburg (Echter) 2009

Der Band sammelt Vorträge, die im Herbst 2008 zum 40. Todestag Romano Guardinis im Mainzer Erbacher Hof gehalten wurden. Ein erster Teil geht mit Artikeln der Bischöfe (bzw. Kardinäle) K. Lehmann, O. Saier und W. Kasper auf die bekannte praktisch-liturgische Schrift "Von heiligen Zeichen" ein. Der zweite Teil der Referate widmet sich der noch nicht hinreichend rezipierten Ethik-Vorlesung Guardinis (E. Schockenhoff, B. Kurth, S. Grätzel), seinen Betrachtungen zur Schwermut (K.-H. Wiese, P. Rehm, I. Reidt), seiner Deutung durch H. U. von Balthasar (P. Reifenberg) und seinem Verhältnis zu M. Heideggers Existenzverständnis (H.-B. Gerl-Falkovitz). Den Abschluss bildet der Aufsatz "Mysterium, Existenz und menschliches Tun. Selbstverständnis und Bedeutung der liturgischen Feier" (M.Zimmermann). Die brennende Aktualität Guardinis für Fragestellungen des 21. Jahrhundert wird in dem Band aufgezeigt und kann somit einstimmen in das Gedenken seines 125. Geburtstages am 17. Februar 2010 

 

Marcello Pera: Warum wir uns Christen nennen müssen. Plädoyer eines Liberalen. Mit einem Vorwort von Papst Benedikt XVI., Augsburg (St. Ulrich) 2009

Kein "theologisches" Buch, aber ein Buch, das Theologen und Kirchenleute genauso kennen sollten wie (Europa-)Politiker, Medienvertreter und Geisteswissenschaftler. Man kann in ihm eine Fortsetzung des schon legendär gewordenen Dialogs zwischen Kardinal Joseph Ratzinger und dem Philosophen Jürgen Habermas erkennen (Münchener Kath. Akademie, Januar 2004). In einem Vorwort (vom 8.9.2009) empfiehlt der Papst, der bereits früher seinen Briefwechsel mit dem Autor veröffentlichte ("Ohne Wurzeln", Augsburg 2005), das 2008 bei Mondadori in Mailand erschienene Buch nun für die deutschsprachige Leserschaft: "Marcello Pera, Senator der Republik Italien und während einer Legislaturperiode Senatspräsident, versteht sich selbst als Liberaler (laico), der sich aber gerade als solcher in der Tradition des christlichen Denkens weiß und in der Begegnung zwischen christlicher (katholischer) und liberaler Denktradition seine besondere Aufgabe als Philosoph und Politiker sieht. (...) In beeindruckender Weise analysiert Pera die großen liberalen Denker und kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dass zum Wesen des Liberalismus seine Fundierung im christlichen Menschenbild gehört". Wird diese Verwurzelung aufgegeben, verliert der Liberalismus sich selbst und muss in einer geradezu fundamentalistischen "Diktatur des Relativismus" enden, in der sich Europa auch mit allen "Errungenschaften der Aufklärung" durch den Abfall vom Christentum selbst abschafft. Pera, der Liberalismus und Säkularismus klar unterscheidet und sich auch mit Habermas, Croce und Rawls auseinandersetzt, sieht sich in der Nachfolge eines Immanuel Kant, wenn er zu beweisen versucht, "daß wir Christen sein sollen, wenn wir die liberalen Freiheiten genießen wollen, und daß auch Europa christlich sein soll, wenn es sich wirklich zu etwas vereinigen will, das einer Nation, einer moralischen Gemeinschaft ähnelt" (178). Das Buch ist spannend (teilweise in Briefform) und engagiert geschrieben, spannend wird auch sein, wie - gerade nach dem jüngsten Strassburger Kruzifix-Urteil - die Rezeption nördlich der Alpen aussehen wird. "Meine Position ist die eines säkularen Liberalen, der sich an das Christentum wendet, weil er von ihm Gründe der Hoffnung erwartet" (11), denn "nur dann, wenn Religion dazu kommt, tritt auch die Hoffnung ein" (Motto des Buches aus Kants "Kritik der praktischen Vernunft", A 234). Lohnend wäre ein kritischer Vergleich der Thesen Peras mit den religionssoziologischen Untersuchungen Charles Taylors, Hans Joas' oder José Casanovas. Das "Plädoyer eines Liberalen" stützt die Erkenntnis Romano Guardinis: "Europa wird christlich sein - oder es wird nicht sein. 

 

Kurt Anglet: Macht und Offenbarung. Zum Geheimnis der Gesetzwidrigkeit, Würzburg (Echter) 2009

Kurt Anglet, langjähriger wissenschaftlicher Assistent des Dogmengeschichtlers Alois Grillmeier, seit 2002 Priester des Erzbistums Berlin und inzwischen habilitierter Professor am dortigen Seminar „Redemptoris Mater“, hat nach und nach ein immer dichter werdendes Netz an Essays und Aufsatzsammlungen veröffentlicht, die in unvergleichlicher Art die Themen von Zeit und Endzeit, Raum und Transzendenz, Eschatologie und Apokalypse aufgreifen, aber auch modernen Künstlern wie Paul Klee und Franz Kafka eine repräsentative Rolle für eine gegenwärtige Theologie erschließen. Sein neuester Band befasst sich zunächst mit den Fragen „Religion und Macht“ und „Katholische Melancholie“, die beide eine Rückwärtsorientierung von Theologie und Kirche (besonders bei Reinhold Schneider) aufzeigen. Der kürzlich gefeierte Albert Einstein wird als „Gottesverächter“ entdeckt, Walter Benjamin dagegen als Geschichtstheologe. Im Zentrum steht sodann der Aufsatz „Katechon – das/der Hemmende“, in dem in kritischer Anknüpfung an Erik Peterson (1890-1960) die eschatologische Frage, die Problematik des Dämonischen und des Antichrist im Anschluss an den (von der aktuellen kirchlichen Leseordnung weggelassenen) wichtigen paulinischen Text 2 Thess 2,1-12 behandelt wird. Dabei werden die geschichtlich dämonischen Entwicklungen in Deutschland und Russland im 20. Jahrhundert mit angesprochen. Kritik erfährt die eschatologische Oberflächlichkeit des II. Vaticanums in „Lumen gentium“ (Kap. VII) und damit die generelle Verdrängung existentieller und ernster Themen: „Offensichtlich hat es eine Kirche, die es sich bequem auf dem Markt der ‚Werte und Weltreligionen’ eingerichtet hat, nicht mehr nötig, sich mit der Erwartung der Wiederkehr ihres Erlösers zu befassen“ (S. 149). Die Überlegungen Anglets, des wohl tiefschürfendsten katholischen Theologen der Gegenwart, könnten dazu beitragen, Kirche und Theologie ein wirkliches, prophetisches und mit der Offenbarung übereinstimmendes „Verhältnis“ zur Moderne zu vermitteln.   

 

Manfred Lochbrunner: Hans Urs von Balthasar und seine Theologenkollegen. Sechs Beziehungsgeschichten, Würzburg (Echter) 2009

 

Mit dem großen Band über Hans Urs von Balthasars "Theologenkollegen" hat Manfred Lochbrunner (Bonstetten/Berlin) – nach  Schilderung von dessen Wirken als „Autor, Herausgeber und Verleger“ (Würzburg 2002) – seine biographisch-werkgeschichtliche Trilogie, die bereits die Kontakte und Briefwechsel mit fünf philosophischen Weggefährten (Josef Pieper, Romano Guardini, Joseph Bernhart, Alois Dempf, Gustav Siewerth) und neun  Literatenfreunden aufgearbeitet hat (Würzburg 2005; 2007), abschließen können. Behandelt werden die tief gründenden „Beziehungsgeschichten“ (im doppelten Sinn des Wortes!) des Basler Theologen, ehemaligen Jesuiten und (kurz vor seinem Tod) ernannten Kardinals (1905-1988) zu den großen und ebenbürtigen Kollegen Erich Przywara, Karl Rahner und Karl Barth, sodann die Zusammenarbeiten mit Otto Karrer (Luzern), Johannes Feiner (Chur) und dem in Fachkreisen nicht unumstrittenen Lutherforscher Theobald Beer (Leipzig/Regensburg). Lochbrunners Trilogie schöpft aus einer Unmenge an möglich gewordener Archiv-Forschung (noch nicht zugänglich ist das Hans Urs von Balthasar-Archiv, Basel) und präsentiert viele Äußerungen, auch zur mystisch begnadeten Konvertitin, Ärztin und Professorengattin Adrienne Kaegi-von Speyr (1902-1967), erstmals für die Öffentlichkeit. Die von Theologen viel zu wenig beachtete geistliche Autorin veröffentlichte über 60 Bücher in Balthasars "Johannes Verlag Einsiedeln". Die "Vergegnung" zwischen Rahner und Balthasar parallelisiert Lochbrunner mit der von Nietzsche und Wagner. Am lebhaftesten liest sich im Theologen-Band der Briefwechsel mit dem Basler Nachbarn Barth. In einem eigenen Kapitel wird die aufgrund jesuitisch-römischer Zensoren „schwere Geburt" des bekannten Barth-Buches geschildert. Lochbrunners umfangreiches und bestens recherchiertes Werk über Balthasars Theologenkollegen ist unverzichtbar nicht nur für die Balthasarforschung, sondern auch für die „Erhellung der Theologiegeschichte des 20. Jahrhunderts“ (XVIII). Nicht eigens thematisiert, wohl aber deutlich erkennbar, ist die intensive Beziehung zum seit 2005 im Petrusamt wirkenden "Kollegen" Joseph Ratzinger. Die Verbindung zum mit Balthasar eng befreundeten Lyoner Patristik-Lehrer Henri de Lubac (1896-1991) wurde bereits früher (durch M. Figura) behandelt, zu ihr sind die Korrespondenzen und Nachlassmaterialien noch gesperrt.  

 

Jörg Seiler (Hg.), Matthias Laros (1882-1965). Kirchenreform im Geiste Newmans (Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte Bd. 8), Regensburg (Pustet) 2009

Der Trierer Diözesanpriester Matthias Laros (1882-1965) gehört (wie der Kölner Stadtdechant Robert Grosche) zu den markantesten intellektuellen Pfarrern des 20. Jahrhunderts. Angeregt durch den auch aus Trier stammenden „liberalen Katholiken“ Franz Xaver Kraus (1840-1901) vermittelte er (mit W. Becker) durch Herausgabe ausgewählter Werke die Theologie John Henry Newmans in den deutschen Sprachraum. Als Übersetzer dienten u.a. Theodor Haecker und Maria Knoepfler. Jörg Seiler (Koblenz-Landau) gab nun eine längst überfällige Aufsatzsammlung zu Leben und Werk des mutigen, manchmal umstrittenen und charakterlich nicht einfachen Theologen heraus. Roman A. Siebenrock (Innsbruck) schildert in seinem Beitrag über Laros’ Newman-Rezeption auch die bedauerliche Kontroverse mit dem Jesuiten Erich Przywara, der Laros in die Nähe des Modernismus rückte, um Newman von diesem Verdacht zu befreien. Newmans Gewissenslehre und Betonung des Subjekts brachten den Trierer auch zu damals (mit Ausnahme D. v. Hildebrands, auf den Laros Bezug nimmt) noch unverstandenen personalistischen Konzepten in der Ehelehre, was in Aufsätzen von Klaus Unterberger (Münster) und Otto Weiß (Wien) ausgeführt wird. Durch Vortragsverbote kam Laros in kirchenrechtliche Schwierigkeiten (Stephan Haering, München). Er galt allgemein in seinem Bistum – wie Seiler sich in seinem Beitrag ausdrückt – als „widerspenstiger Pfarrer“, der gegen den politischen Katholizismus der Zentrumspartei Stellung bezog, den 2. Weltkrieg leider rechtfertigte, sich aber vom Nationalsozialismus klar distanzierte. 1945 trat er die Nachfolge des ermordeten Max-Josef Metzger als Leiter der Una-Sancta-Bewegung an. Desiderat bleibt eine Laros-Textesammlung.

 

Paul Josef Kardinal Cordes: Warum Priester? Fällige Antworten mit Benedikt XVI., Augsburg (St. Ulrich) 2009

 

Bei der Vorstellung des zum Priesterjahr 2009/2010 erschienenen Buches des Paderborner Kurienkardinals im Frankfurter Haus am Dom meinte Robert Spaemann gegenüber einer Zölibats-fixierten Sicht der Priesterfrage und dem öffentlichen Druck, das Priesteramt und seine Gemeindeleitung immer wieder rechtfertigen zu müssen: „Warum sind eigentlich wir diejenigen, die sich fragen lassen müssen, ob wir vor dem modernen Bewusstsein bestehen können? Haben wir nicht vielleicht die Aufgabe, das moderne Bewusstsein zu fragen, ob es bestehen kann vor Christus?“ Cordes wendet sich in seinem theologisch fundierten Werk, das an seine eigene Dissertation zum Priestertum auf dem II. Vaticanum (bei Karl Lehmann 1971) und an Äußerungen Papst Benedikts XVI. anknüpft, gegen ein funktionalistisches und damit austauschbares Verständnis des Priestertums und verankert seine Identität in personalen und christologischen Bezügen. Alle praktischen Fragen werden aus einer nie verengenden theologischen Gesamtperspektive angegangen und einer auch spirituell tragbaren Lösung zugeführt. Wenn das Priesterjahr im deutschsprachigen Bistümern ein Echo finden soll, ist das Buch von Kardinal Cordes eine Pflichtlektüre auch für Laien, die mit und von den Priestern die Sakramente Christi und die vollmächtige Verkündigung des Gotteswortes empfangen wollen, um für die je eigene Sendung der Nachfolge und des Apostolates gerüstet zu sein.  

 

  

Thomas Herkert, Matthias Remenyi (Hg.): Zu den letzten Dingen. Neue Perspektiven der Eschatologie, Darmstadt (WBG) 2009  

 

Nach längerer Funkstille erscheint wieder ein gehaltvoller Sammelband mit Aufsätzen zu Themen der Eschatologie, die auf Vorträge im November 2007 an der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg zurückgehen. "Gibt es Neues vom Tod? - Fragen Sie lieber nicht!", so lautet der essayistische Beitrag von P. Strasser (Graz). F. Gruber (Linz) stellt seine theologisch-systematische Sicht personaler Auferstehung unter das Wittgenstein-Wort: "Man kann vielleicht sagen: Nur die Liebe kann die Auferstehung glauben". R. A. Siebenrock (Innsbruck) formuliert anknüpfend an J. H. Newmans "egotism" und K. Rahner persönliche Thesen zur Hermeneutik eschatologischer Bilder und Aussagen im Zeitalter der säkularen Apokalyptik. J.-H. Tück (Freiburg) behandelt "Das Gericht Jesu Christi" unter dem Titel "In die Wahrheit kommen". M. Dürnberger (Köln) widmet sich dem "sperrigen Erbstück" des Fegefeuers mit besonderem Blick auf M. Foucault und J. LeGoff. Die evangelische Theologin J. C. Janowski (Bern) präsentiert aus ihren Spezialuntersuchungen den bereits vorher publizierten Beitrag "Eschatologischer Dualismus oder Allerlösung" und plädiert für einen "dritten Weg": Hoffnung, dass alle gerettet werden, ja - Lehre nein. M. Remenyi (Aachen) weitet die angeschnittenen Fragen ausführlich zu einer "Hoffnung für den ganzen Kosmos" - wie sie auch von J. Moltmann zum Ausdruck gebracht wurde. Leider wird die bibeltheologische Grundlage jeder christlichen Eschatologie nicht durch einen eigenen Aufsatz thematisiert.   

 

 

Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz: Frau – Männin – Menschin. Zwischen Feminismus und Gender, Kevelaer (Butzon & Bercker) 2009

 

Anliegen der Autorin ist, die Auseinandersetzung um Feminismus und Gender kritisch zu beleuchten und in Berücksichtigung kulturanthropologischer Erkenntnisse mit sinnvollen Anstößen weiterzuführen. Alle unfruchtbaren Polemiken vermeidend werden die unterschiedlichen Positionen behandelt, auf den Prüfstand gestellt und mit verschiedenen (auch biblischen) Texten der Jahrhunderte konfrontiert. Statt fließender Gender-Identität aufgrund scheinbar selbst gewählter geschlechtlicher Rollen wird Geschlecht als Vorgabe und Aufgabe gesehen, nicht nur aufgrund von Natur oder Biologie, sondern kulturell im Blick auf ein freies Personverständnis in Selbstbesitz und Selbstdistanz. Gerl-Falkovitz bedenkt für ihr Thema die gesamte abendländische Literatur-, Kultur- und Philosophiegeschichte, beachtet aber auch die oft ideologisch oder "virtuell" verdrängten konkret-leiblichen Erfahrungen von Frauen und Christinnen in ehelichem oder in geistlich ehelosem Lebensstand. Die Bearbeitung zeige wieder einmal, „dass die Frauenfrage niemals nur eine Frage von Frauen, sondern von Geschichts- und Selbstverständnis des Menschen ist. Um genau zu sein: des Menschen in der Frau, des Menschen im Mann. Noch genauer: von Frau und Mann als je selbstständigen Personen“ (11). Das Buch einer "Löwin" (Nietzsche), das einen „Gang durch ein Minenfeld“ riskiert, ist ungeheuer lehrreich und heilsam zugleich, es könnte den „gender-trouble“ (J. Butler) zur Beruhigung bringen. Es ist ohne direkte Absicht aber auch eminent theologisch, sichert es doch zeitunabhängig (auch post-modern und post-feministisch) den transzendenten und bräutlichen Charakter der biblischen Religion - schon im Alten Testament (Hohelied), besonders dann aber bei Paulus im Blick auf die endzeitliche Hochzeit der Kirche mit dem Bräutigam Christus.

 

 

Peter Neuner: Der Streit um den katholischen Modernismus, Frankfurt a. M. / Leipzig (Verlag der Weltreligionen) 2009

 

Der ehemalige katholische Dogmatiker und Ökumeniker an der Univerität München zeichnet die Entwicklungen des Streits um den katholischen Modernismus von seiner Entstehung im 19. Jahrhundert bis zu seiner Verurteilung durch Papst Pius X. detalliert nach und stellt dessen Protagonisten und ihre Gegenspieler vor. Im umfangreichen Textanhang werden diese Auseinandersetzungen dokumentiert. Die von Neuner gezogene Linie zum II. Vaticanum, das von der "Piusbruderschaft" unter Modernismusverdacht gestellt wurde, macht das Buch unentbehrlich, um die Hintergünde der aktuellen Gesprächsbemühungen zu verstehen.   

 

Cordula Haderlein: Individuelles Mensch-Sein in Freiheit und Verantwortung. Die Bildungsidee Edith Steins, Bamberg (University Press) 2009

 

Die Autorin, praktische Pädagogin und Schulleiterin in Forchheim/Oberfranken, widmet sich in ihrer Bamberger Dissertation der Bildungslehre Edith Steins und kann überzeugend aufzeigen, dass in ihrem Zentrum die Grundgedanken von Individualität, Freiheit und Verantwortung stehen. Auch die Geschlechterfrage wird unter dieser Vorgabe gesehen und in ruhiger Sachlichkeit dargestellt. Als Textbasis dienen Haderlein nicht nur die einschlägigen thematischen Bände der "Edith-Stein-Gesamtausgabe" (ESGA), sondern auch biographische und briefliche Äußerungen. Hermeneutische und phänomenologische Differenzierungen bilden die Grundlage, um dann die Bildungsidee Steins in fünf „Beiträgen“ herauszuarbeiten. Bildung versteht Stein als Weg, den Menschen bei der Realisation seiner Freiheit zu unterstützen. „Steins Idee vom individuellen Mensch-Sein in Freiheit und Verantwortung kann gerade aus pädagogischer Sicht als zeitlos gültige Idee des Menschen gesehen werden“ (264), gewiss auch für die Religionspädagogik. Das lehrreiche Buch fordert dazu heraus, die Konzeptionen Edith Steins nun auch mit der Pädagogik und dem Bildungsverständnis R. Guardinis und G. Siewerths zu vergleichen, evtl. dadurch zu ergänzen, um zu einer "integralen" christlichen Bildungs- und Erziehungslehre zu kommen.  

 

Claus Arnold, Bernd Trocholepczy, Knut Wenzel (Hg.): John Henry Newman. Kirchenlehrer der Moderne, Freiburg (Herder) 2009 

 

Der Band versucht, der Modernität Newmans nachzugehen in der „Geschichte seines Geistes“, die durch den Entwicklungsgedanken und die Gewissensfrage auf die zunächst fernab liegende Möglichkeit der Konversion zur katholischen Kirche stieß. Neuzeitlich und nahe bei Kierkegaard ist die Rolle des „Einzelnen“, die Hochschätzung der personalen Glaubensentscheidung, der realen und nicht bloß rein begrifflichen Zustimmung. Newman hat auf der Würde des Subjekts bestanden, gerade auch in seiner „Apologia“, und so ein Zeugnis für eine effektive und glaubwürdige „Communio“ in der Tradition der Kirche abgelegt. Der Freiburger Religionspädagoge G. Biemer, der „Nestor“ der deutschen Newman-Forschung, eröffnet mit einem persönlichen Bekenntnis, K. Wenzel bilanziert Newmans Modernität unter dem Einwilligen in die sich in der Glaubensbiographie ausdrückende Vorsehung. Weitere Beiträge (u. a. von P. Nockles, L. Kuld, A. Nawar, R. A. Siebenrock, M. Striet) gehen Newmans evangelikalen Wurzeln im „Oxford Movement“ nach, thematisieren sein Bildungs- und Liturgieverständnis, seinen "Essay in aid of a Grammar of Assent" und schließlich seine Rezeption im „Modernismus“, speziell bei Franz X. Kraus (C. Arnold). Der Sammelband kann den unten angezeigten aus dem Verlag „nova & vetera“, der vor allem einführend ist und die oratorianische Spiritualität Newmans hervorhebt, theologisch gut ergänzen. 

 

Jan-Heiner Tück: Gabe der Gegenwart. Theologie und Dichtung der Eucharistie bei Thomas von Aquin, Freiburg (Herder) 2009

Die Habilitationsschrift des Freiburger Privatdozenten und Schriftleiters der Internationalen Katholischen Zeitschrift Communio verbindet ästhetisch-poetologische Aspekte mit der Eucharistietheologie der Summa theologiae. In den eucharistischen Hymnen, die in das liturgische Gebet der Kirche eingegangen sind, wird die Spiritualität greifbar, die das theologische Denken des Thomas von Aquin geprägt hat. In abschließenden "Eucharistischen Passagen" wird nach einem Durchgang durch die Dogmengeschichte, der Behandlung bibelexegetischer Fragen und einer auf die Gegenwart bezogenen Deutung der Transsubstantiationslehre der Ertrag der Untersuchung formuliert: Eucharistie als die unverfügbare Selbstgabe der Liebe des auferweckten Gekreuzigten in "realer Gegenwart". Maßgebliche Impulse der thomasischen Theologie werden von Tück in das heutige Gespräch (auch in Berücksichtigung aktueller Dichtung) eingebracht, ohne die epochale Differenz zum Denken der Hochscholastik einzuebnen. Die Studie ist eine Einladung, Denken und Glauben mit dem Vollzug und der Anbetung der Eucharistie zu verbinden

 

Yves Chiron: Frère Roger - Gründer von Taizé. Eine Biografie, Regensburg (Pustet) 2009

Frère Roger Schutz (1915-2005), der weltbekannte Gründer der Gemeinschaft von Taizé, die alljährlich zehntausende von Jugendlichen zu Gebet und christlichem Engagement in großen Städten versammelt, hat längst eine ausführliche Biografie verdient, die nun als Übertragung aus dem Französischen vorliegt. Der Vorkämpfer der Ökumene, stiller Begleiter mehrerer Päpste, ist vor allem als geistlicher Freund der Jugend hervorgetreten. Das Buch zeichnet den einzigartigen Werdegang eines Menschen, der sich - wie viele - zunächst mit seiner Herkunft und Familiengeschichte auseinandersetzen musste, um seinen eigenen Weg zu finden und sein vom Geist Gottes gewolltes Werk der Versöhnung aufzubauen. Seit der Gründung der Brüdergemeinschaft hält in Taizé dieser kleine "Frühling der Kirche" (Johannes XXIII.) als Charisma an, auch nach dem tragisch-gewaltsamen Tod Frère Rogers kurz vor dem Kölner Weltjugendtag 2005. Das "Vorwort" der deutschsprachigen Ausgabe bilden eine Predigt von Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der EKD, im Berliner Dom zur "Nacht der Lichter" 2006 und ein Interview mit Kardinal Walter Kasper, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. 

 

Hansjürgen Verweyen: Anselm von Canterbury 1033-1109 – Denker, Beter, Erzbischof, Regensburg (Pustet) 2009  

Der Kirchenlehrer und Mitbegründer der "Scholastik" kann durchaus als „moderner“ Denker gesehen werden, von dem eine „Einladung zur Freiheit“ (H. Kohlenberger) ausgeht. Hansjürgen Verweyen, ausgewiesener Anselm-Kenner und emeritierter Freiburger Fundamentaltheologe („Gottes letztes Wort“), stellt Leben und Werk des Benediktiners und späteren Erzbischofs in Berücksichtigung der historischen Zeitumstände und seines theologischen Gesamtwerkes dar. Dabei wird besonders der neue Anrede-Stil seiner ergreifenden Gebetstexte thematisiert. Das Buch erscheint noch rechtzeitig im Anselm-Jahr 2009, ist den Studien von P. Franciscus Salesius Schmitt OSB verpflichtet und wendet sich bewusst an einen breiteren Leserkreis.  

 

Uwe Wolff: "Das Geheimnis ist mein". Walter Nigg. Eine Biographie, Zürich (Theologischer Verlag) 2009

Das umfassend recherchierte, mit mehreren Abbildungen versehene und spannend lesbare Werk, auf Anregung von Barbara Hallensleben (Fribourg) in Angriff genommen, lässt dem großen reformierten Theologen und Hagiographen Walter Nigg (1903-1988) endlich die gebotene Würdigung und Aufmerksamkeit zukommen. Die gesamte Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts ist in Wolffs Biographie präsent. Auch Katholiken können in ihr einiges lernen, was die Wahrnehmung des/der Heiligen (etwa in Bezug auf den hl. Pfarrer von Ars) und seines Gegenteils betrifft. "Ketzer" wie Franz Overbeck, über den Nigg seine Karl Barth provozierende Habilitationsschrift verfasste, werden ausführlich dargestellt. Wolff schildert auch die Differenzen Niggs im Verständnis der Heiligen zu Hans Urs von Balthasar und zu Adrienne von Speyrs "Allerheiligenbuch", sowie ekklesiale Aspekte.

 

Silja Walter: Das dreifarbene Meer. Meine Heilsgeschichte - eine Biographie, Freiburg Schweiz (Paulus) 2009

Die bekannte nunmehr neunzigjährige Schriftstellerin (Gesamtausgabe in 10 Bänden, betreut von Ulrike Wolitz, ebenfalls im Paulusverlag Freiburg Schweiz) und Ordensfrau (Sr. Maria Hedwig OSB, Kloster Fahr bei Zürich) reflektiert in ihrer Biographie in dichter, lebendiger Sprache ihren Weg als Benediktinerin. Offen und ungeschminkt beschreibt Silja Walter ihre Grenzerfahrungen im Zusammenleben in der klösterlichen Gemeinschaft und macht deutlich, worin Sinn und Ziel ihrer (und jeder) persönlichen Heilsgeschichte des Glaubens besteht: "Vom frühen Morgen an / lief ich durch alle Türen / auf einen armen Juden zu / und fiel / als die Nacht kam / in die Sonne". 

 

George Augustin (Hg.): Die Gottesfrage heute (Theologie im Dialog Bd. 1), Freiburg (Herder) 2009

Der Band versammelt die Beiträge des gleichnamigen Symposions, das im April 2008 an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar aus Anlass des 75. Geburtstages von Kardinal Walter Kasper stattfand. Autoren sind W. Kasper, K. Lehmann, K. Koch, G. L.Müller, G. Augustin, Th. Söding, M. Striet und H. Lenz.

 

Esther-Maria Wedler: Splendor caritatis. Ein ökumenisches Gespräch mit Hans Urs von Balthasar zur Theologie in der Moderne (Erfurter Theologische Studien Bd. 94), Würzburg (Echter) 2009

Die Dissertation (Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Rostock; Prof. Dr. Udo Kern) der evangelischen Pfarrerin Esther-Maria Wedler, die in einer katholischen theologischen Reihe erschien, kann als ökumenisches Ereignis gewertet werden. Wedler verbindet die subtile Analyse philosophischer Grundfragen mit der theologischen  Erörterung der Ansätze des Basler Theologen in Konfrontation mit maßgeblichen deutschsprachigen evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts (u.a. K. Barth, W. Pannenberg, E. Jüngel, I. U. Dalferth) und auch K. Rahner. Dabei wird sie von einer erstaunlichen Kenntnis und Wahrnehmung des balthasarschen Gesamtwerkes geleitet, stellt seine ökumenische Herausforderng dar und deutet ihn im Rahmen der (Post-)Moderne: "Seine Theologie leitet sich aus der Kritik der Moderne her und ist zugleich der wegweisende Versuch, ein neues Verhältnis zur Moderne zu formulieren, das sich gegen die Maßstäblichkeit des neuzeitlichen Subjekts wendet und auf der eigenen Sprachmächtigkeit der göttlichen Offenbarung insistiert" (S. 338).

 

Autorität in der Kirche / Authority in the Church. Theologische Beiträge aus der Church of England, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und der katholischen Erzdiözese Bamberg, hrsg. von Paul Collins, Wolfgang Klausnitzer und Walter Sparn, München (Sankt Michaelsbund) 2009

Die Fragen um Autorität und Amt in der Kirche zählen nach der Augsburger "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" vom 31. Oktober 1999 in zu denen, "die weiterer Erklärung bedürfen". Im offiziellen anglikanisch / katholischen Dialog auf Weltebene war dieses Thema von Anfang an präsent. Der zweisprachige Band vereinigt Referate anglikanischer, evangelisch-lutherischer und katholischer Theologen und Theologinnen aus Chichester, Erlangen und Bamberg in drei Teilen: "Die Autorität in der Kirche", "Die Autorität des Neuen Testaments" und "Die Autorität des kirchlichen Amtes". W. Klausnitzer (Würzburg/Bamberg) stellt dabei die Entwicklung und den Stand des katholischen Autoritäts- und Amtsverständnisses dar. Weitere Beiträge u.a. von S. Moyise, O. Wischmeyer, E.-M- Becker, L. Wehr, P. Ashwin-Siejkowski, P. Collins und A. K. Jenkins.

 

Paul Bernhard Wodrazka (Hg.): John Henry Newman - Oratorianer und Kardinal. Ein großer Lehrer der Kirche. Mit ausgewählten Quellen oratorianischen Lebens, Bonn (nova & vetera) 2009

Der Band eignet sich gut als Einführung in die theologischen Anliegen des 1845 aus dem Anglikanismus konvertierten späteren Kardinals John Henry Newman (1801-1890) und als geistliche Vorbereitung auf seine für 2010 angekündigte Seligsprechung. Die beigefügten Quellenschriften oratorianischen Lebens enthalten sämtliche Texte, Predigten, Lieder und Gebete Newmans über bzw. zu Philipp Neri (1515-1595), den er (wie schon Goethe) "seinen Heiligen" nannte. Mit Beiträgen u.a. von J. Weller, H. Fries, J. Ratzinger/Benedikt XVI., Johannes Paul II., L. Scheffczyk, Ph. Boyce, P. B. Wodrazka, H.-B. Gerl-Falkovitz, U. M. Lang und F. Selden, ergänzt durch ein hilfreiches Verzeichnis weiterführender Literatur zu den Themen der jeweiligen Artikel.

 

Christoph Kardinal Schönborn: Wir haben Barmherzigkeit gefunden. Das Geheimnis des göttlichen Erbarmens, Freiburg (Herder) 2009

Der Wiener Erzbischof entfaltet in den ursprünglich im Stephansdom gehaltenen Katechesen die Botschaft des göttlichen Erbarmens in der Bibel und im Leben der Kirche für unsere Zeit. Er greift den Impuls Papst Johannes Pauls II. vom 17. August 2002 aus Lagiewniki bei Krakau auf: "In diesem Heiligtum möchte ich heute die Welt feierlich der Barmherzigkeit Gottes weihen mit dem innigen Wunsch, dass die Botschaft von der erbarmenden Liebe Gottes, die hier durch die hl. Schwester Faustyna Kowalska verkündet wurde, alle Menschen der Erde erreichen und ihre Herzen mit Hoffnung erfüllen möge". Auch andere Heilige werden von Schönborn zur Bekräftigung herangezogen: Therese von Lisieux, Edith Stein/Theresia Benedicta a Cruce und besonders Maria als "Mutter der Barmherzigkeit". 

 

Ch. Schaller, M. Schulz, R. Voderholzer (Hg.): Mittler und Befreier. Die christologische Dimension der Theologie (FS für Bischof Gerhard Ludwig Müller zum 60. Geburtstag), Freiburg (Herder) 2008

G. Augustin, K. Krämer (Hg.), Gottt denken und bezeugen (FS für Kardinal Walter Kasper zum 75. Geburtstag), Freiburg (Herder) 2008

Beide Festschriften für bedeutende Theologen im Bischofsamt versammeln alle namhaften (vor allem deutschsprachigen) zeitgenössischen Theologen, werden mit einem Geleit-, bzw. Grußwort von Papst Benedikt XVI. eröffnet und stellen jeweils eine Fundgrube an theologischen Reflexionen, Erörterungen und Anstößen dar. Im einen Band dominieren Themen der Christologie, auch in ihrer ekklesiologischen Vergegenwärtigung, im anderen die der Gottes- und Trinitätslehre, auch unter philosophischen Aspekten. Dass akademische Theologie auf höchstem Niveau und kirchlich-gläubige Gesinnung sich nicht widersprechen, wird in den beiden zu erschwinglichen Preisen angebotenen Bänden überzeugend vorgeführt.

 

Reinhard Dörner (Hg.): "In den letzten Tagen werden schlimme Zeiten hereinbrechen" (nach 2 Tim 3,1). Der Antichrist und die Welt von heute, Münster (Kardinal-von-Galen-Kreis e.V.)  2008

Der Titel des Buches verdeckt ein wenig, welch gehaltvolle theologische und exegetische Aufsätze zur Unterscheidung der Geister in Zeiten des Relativismus der Sammelband der "Osterakademie Kevelaer 2008" zu bieten hat. Nicht nur "die biblische Lehre vom Antichrist", sondern auch mit Privatoffenbarungen (Marienerscheinungen) zusammenhängende Fragen werden thematisiert. Beiträge von P. Beyerhaus, M. Hauke, K. Berger, M. Stickelbroeck, W. Lindemann, P. Ch. Düren und einem Anhang von G. Waste zur "Kreuzeswissenschaft" nach Edith Stein.

 

Kurt Koch: Die Kirche Gottes. Gemeinschaft im Geheimnis des Glaubens, Augsburg (St. Ulrich) 2007

Der Bischof von Basel und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz entwirft in seinem grundlegenden Werk über die Kirche die Vision einer "verinnerlichten und vereinfachten Kirche", die ihrem Wesen nach ganz "Volk Gottes" und zugleich "Leib Christi" ist und die Heimat sein kann für die vereinsamten Menschen unserer Zeit. Er ist überzeugt, dass "dort am meisten Kirche" ist, wo sich "am meisten Glaube, Liebe, Hoffnung und am meisten Selbstlosigkeit" findet. Das Buch ist heilsam und lehrreich in vieler Hinsicht für alle, die sich als Seelsorger und Gläubige in der Kirche engagieren - oder einfach an ihrer Gemeinschaft teilhaben wollen.